Rezension

DER TANZGOTT AUS DER SICHT DER TALENTIERTEN SCHWESTER

Die Schwester des Tänzers, 8 Audio-CDs - Eva Stachniak

Die Schwester des Tänzers, 8 Audio-CDs
von Eva Stachniak

          „Die Schwester des Tänzers“ wurde in der Ichform geschrieben, aus der Sicht der Bronislawa Nijinska. Sie ist die Tochter von Tänzern, die anfänglich einer fahrenden Truppe angehörten und hatte zwei ältere Brüder. Alles drehte sich in der Familie nur ums Tanzen, eine absolut tanzverrückte Familie zu Anfang des 20. Jahrhunderts.
Die Geschichte beginnt 1939 auf dem Schiffsweg nach Amerika. Bronia (die Abkürzung des Namens Bronislawa) reflektiert ihr gesamtes Leben, das immer im Schatten ihres genialen Bruders stattfand. Es liest sich wie ein Geschichtsbuch. Zuerst das Zarenreich, dann der Beginn des ersten Weltkrieges, der Sturz des Zaren und die Ermordung der gesamten Zarenfamilie, die Machtergreifung durch die Bolschewiki, ihre Stationen im Tanzensemble und allein auf sich gestellt... alles aus Sicht und dem Hintergrund des Tanzes. Für Bronislawa, für ihre Mutter, für ihre Kinder ist es ein schweres und entbehrungsreiches, von Schicksalsschlägen gekennzeichnetes Leben.

Ein beeindruckender Roman über die Hintergründe des Lebens eines großen Talentes! Eigentlich war Bronislawa Nijinska ihrem Bruder Waclaw ebenbürtig, aber sie erhielt nie die Gelegenheit sich voll zu entfalten. Leider ein Tribut an die gesellschaftlichen Verhältnisse. Für Frauen war eine andere Entwicklung vorgesehen. Im Gegensatz zu ihrem Bruder geriet sie in Vergessenheit. Die Karriere von Tanzgott Nijinski währte nur kurz, war jedoch prägend. Er litt an einer Nervenerkrankung, die es ihm unmöglich machte, jemals wieder auf die Bühne zurückzukehren.

Eva Stachniak ließ Geschichte lebendig werden und gibt Einblicke ins Künstlerleben Anfang des 20. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern Europas, in erster Linie in Rußland.
Die Autorin recherchierte hervorragend und schuf ein reales Bild mit historischen Persönlichkeiten und ihren Werken. So begegnen dem Leser der Impresario Sergei Djagilew mit seinem legendären Ensemble Ballett Russes, die zur sogenannten russischen Avantgarde gehörten, die den Weg mit den Nijinskis und anderen herausragenden Künstlern für eine moderne Tanzkunst prägten. Auch die Komponisten Igor Strawinsky und Sergei Rachmaninow, die berühmte Tänzerin Anna Pawlowa und viele weitere prominente Zeitgenossen fanden Eingang in den Roman. Geschichtliche Ereignisse wurden in den Kontext zum Leben der Nijinskis gestellt, so dass sie nicht ausführlich abgehandelt wurden. Das störte aber meinen Lesegenuß nicht. Als einzigen Kritikpunkt möchte ich anfügen, dass etwas zu weitschweifig erzählt wurde. 570 Seiten waren schon ziemlich viel.

Insgesamt gesehen fand ich die Story gut erzählt und kann sie weiterempfehlen, besonders für Kunstfreunde, Fans des Balletts. Von mir vier von fünf Sternen.