Rezension

Der Titel! Wie wahr!

Nur ein gewöhnlicher Mord
von Jürgen Ehlers

Bewertet mit 4 Sternen

„Über die personelle Situation in Ihrem Bereich bin ich durchaus im Bilde. Wir werden Abhilfe schaffen, sobald dies möglich ist. Angesichts der angespannten politischen Lage müssen wir jedoch zur Kenntnis nehmen, dass die Belange der örtlichen Polizeidienststellen zurzeit nicht die höchste Priorität genießen. Ich gehe aber davon aus, dass wir durch erhöhten persönlichen Einsatz die personellen Defizite ausgleichen und eine unveränderte Leistung aufweisen werden.“ „Wir tun unser Bestes, Herr Kriminaldirektor!“ „Herr Berger, das reicht heute nicht mehr aus. Ich erwarte von Ihnen, dass Sie mehr als Ihr Bestes geben. Mehr gibt es in diesem Punkt nicht zu sagen. – Heil Hitler!“ „Heil Hitler, Herr Kriminaldirektor!“

Juli 1939. In einem Park in Hamburg wird die Leiche einer Frau gefunden. Sie wurde grausam ermordet, das Gesicht ist durch Schnitte völlig entstellt. Kommissar Berger beginnt seine Ermittlungen, die man angesichts der politischen Lage kaum als normal bezeichnen kann. Zumal ihm noch ganz andere Dinge im Kopf herumgehen, denn seine Frau ist Halbjüdin…

 

Selten habe ich ein Buch gelesen, bei dem ich den Titel so dermaßen zutreffend fand! Zu Beginn ahnte ich das aber noch nicht, das Buch begann für mich wie ein „normaler“ Krimi, mit dem Mord und dem Auffinden der Leiche. Berger betrat die Szene und ab diesem Zeitpunkt entwickelten sich mehrere Handlungsstränge, bei denen ich anfangs verwirrt war und mich fragte, wie und ob sie überhaupt zusammengehörten. Berger beschäftigt sich scheinbar mit verschiedenen Fällen – oder gibt es Zusammenhänge? Und dazu noch die Schiene mit seinen privaten Problemen… Nicht einfach, da den Überblick zu behalten. Aber vermutlich ging es Berger ganz genauso. In einer Zeit, in der man kaum „normale“ Polizeiarbeit realisieren kann, müssen Berger und seine Kollegen zusehen, wie sie ihren Alltag überhaupt bewältigen können.

 

Im Verlauf der Handlung rückt der 1. September immer näher und das bedeutende Zeitgeschehen dominiert mehr und mehr. Spätestens wenn Berger mitten in den ersten Kriegstagen agiert, wird die Bedeutung des Buchtitels deutlich. Denn was ist ein einzelner Mord, so grausam er auch zunächst erscheint, gegen die unvorstellbaren Gräueltaten des Kriegs?!

 

Jedem, der an Zeitgeschichte interessiert ist, wird mit diesem Buch viel geboten! Mehrere persönliche Schicksale werden geschildert, teils sehr eindringlich und berührend. Bergers Taten waren für mich nicht immer nachvollziehbar. So sympathisch er ist, ist er doch nicht immer ein einfacher Charakter. „Wie kann er das bloß tun? Ich hätte niemals…“ – dieser Gedanke kam mir einige Male. Aber (ich zitiere mich mal selbst) was gibt es Langweiligeres, als einen „nur“ guten Charakter? Und zudem: Wer kann mit Sicherheit sagen, was man tatsächlich zu dieser Zeit getan hätte? Auf jeden Fall sorgt Berger für Spannung und ist auch schon mal für einen markigen Spruch gut:

„Gibt es sonst noch irgendetwas, was wir wissen sollten, aber was Sie uns nicht verraten mögen, weil irgendeiner Ihren Bekannten sonst vielleicht ärgerlich werden könnte? Verraten Sie es mir lieber gleich, sonst könnte es nämlich passieren, dass ich ärgerlich werde, und das könnte dann sehr unangenehm für Sie werden!“

 

Fazit: Spannend, verwirrend, berührend, grausam. Genau wie die damalige Zeit.