Rezension

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Der Wald als schützenswertes Ökosystem, Ausbeutungsort und Heimat

Das Lied des Waldes -

Das Lied des Waldes
von Klara Jahn

Bewertet mit 3 Sternen

Der Wald als Rückzugs- und Kraftort, mystische Heimat zahlreicher Lebe- und Fabelwesen, schützenswertes Ökosystem und Geldquelle, die es möglichst effizient auszubeuten gilt.

Klara Jahn greift in ihrem Roman „Das Lied des Waldes“ alle diese möglichen Nutzungssarten des Waldes auf. Unterteilt in zwei Zeitstränge erzählt sie zum einen die wahre Geschichte von Anna Stromer, Tochter einer reichen und angesehenen Nürnberger Patrizierfamilie im 14. Jahrhundert und zum anderen die Geschichte der Försterstochter Veronika die für die Karriere dem Wald und ihrer Jugendliebe Martin entflieht, aber nach dem Tod der Mutter und dem Ehe- und Karriereaus wieder in den Nürnberger Reichswald zurückkehrt.

 Anna verstummt mit 8 Jahren nach dem Tod ihrer Mutter. Bei einer Kutschfahrt durch den Nürnberger Reichswald geht sie bei einer Rast im Wald verloren und wird von einer Zeidlerin Barbara gefunden. Mehrere Monate verbringt sie im Wald und in Barbaras Hütte, durch die imposante Naturerfahrung schöpft sie neue Kraft, findet wieder zur Sprache muss aber zurück in die Stadt zu ihrer Familie. Von Barbara hat sie gelernt wie wichtig es ist, wenn man sich aus dem Wald „bedient“ ihm auch immer wieder etwas zurückzugeben. Missverstanden von der eigenen Familie und Stiefmutter lebt sie nach einem Zwangsaufenthalt im Kloster in der Familie des Bruders ihrers Vaters. Gemeinsam mit ihrem Onkel Peter Stromer führte sie den nachhaltigen Forstbau ein - Holz war schon damals ein wertvoller und gefragter Rohstoff - die Stromer erkannten, dass man für Nachschub sorgen muss. Später erfindet sie dank einer Idee ihres Mannes (der sich von den italienischen Papiermühlen inspirieren ließ) die erste Papiermühle in Deutschland. Seit ihrer Kindheit fühlte sich Anna im Wald zu Hause und so verwundert es nicht, dass sie ihren Lebensabend als Witwe und Eremitin in Barbaras Waldhütte verbringt.

In der heutigen Zeit kämpft Veronika, mittlerweile Mitte 40, mit dem Flüggewerden der Tochter, dem Ende ihrer Ehe und der überraschenden Kündigung ihres Jobs. Als Jugendliche floh sie aus dem Forsthaus im Nürnberger Reichswald um Karriere zu machen und in der Stadt zu leben. Nach dem Tod der Mutter kehrt sie zurück um das Forsthaus und den zugehörigen Wald zu verkaufen, da sie nun als arbeitslose, alleinlebende Frau dringend Geld braucht. Durchkreuzt wird dieser Plan allerdings von dem Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe Martin, selbst Förster, und einigen Naturschutzaktivisten die in Veronikas Wald kampieren und protestieren um den Verkauf an einen Papierhersteller zu verhindern. Aus dieser Gruppe sticht Ben hervor - dessen Projekt es ist mittels spezieller Mikrofone und Technik die Sprache der Bäume für Menschen hörbar zu machen. Zuletzt bleibt die Wirkung des Waldes auch bei Veronika nicht aus - sie beschließt zunächst einmal Ben bei seinem Projekt zu unterstützen, ihre als Kind begonnenen Aufzeichnungen zu Anna Stromer zu vollenden und in ihr Elternhaus im Wald zu ziehen.

Klara Jahn ist ein unterhaltsamer Schmöker gelungen, der für den Schutz unseres Waldes sensibilisiert, erzählt wie es zur Einführung der nachhaltigen Forstwirtschaft kam und der von 2 Frauen erzählt, die in diesem Wald Halt und ein Zuhause gefunden haben.

Der historische Teil ihres Romans war spannend, lehrreich und atmospährisch dicht zu lesen und hat mich gut unterhalten. Der Erzählstrang von Veronika konnte mich dagegen nicht überzeugen. Dennoch haben sich beide Frauenfiguren literarisch gut ergänzt.
Da ich bereits viel über das Ökosystem Wald gelesen habe und auch beinahe täglich im Wald unterwegs bin, hat für mich dieser Erzählstrang nichts neues gebracht. Den historischen Kontext um Anna Stromer kannte ich allerdings noch nicht und ich fand es sehr interessant, dass bereits um  1370 der Wald ausgebeutet wurde und geschützt werden musste - das hätte ich doch eher erst in unserer Zeit verankert.