Rezension

Die Berliner Revolution im März 1848 hautnah erleben

Berlin Feuerland - Titus Müller

Berlin Feuerland
von Titus Müller

Bewertet mit 5 Sternen

~~Berlin März 1848. Die junge Alice ist die Tochter des Kastellans und lebt mit ihren Eltern im Stadtschloss. Sie wächst behütet, beschützt und in wohlhabenden Verhältnissen auf, aber langweilt sich. Um ihrem Leben mehr Würze zu geben, begibt sich Alice auf eine Führung durch Feuerland, dem Berliner Industrieviertel, wo die armen Leute zu Hause sind und die Fabrikarbeiter ihrer Arbeit nachgehen, um für einen Hungerlohn ihre Familien mehr schlecht als recht durchzubringen. Diese Führung wird von Hannes Böhm durchgeführt, der in Feuerland aufgewachsen ist, sich dort bestens auskennt und sich als Führer etwas nebenbei verdient. So lernen sich die beiden kennen und schon bald entwickelt sich aus einer flüchtigen Bekanntschaft Freundschaft und mehr. Gleichzeitig werden die Zeiten im preußischen Berlin immer unruhiger, denn immer mehr Arbeitslose rotten sich zusammen, um einen Aufstand gegen den König und seine Politik zu planen. Sowohl Hannes als auch Alice werden jeder auf ihre Weise in die Revolution hineingezogen. Werden die beiden eine Zukunft miteinander haben, oder sind ihre Welten doch zu verschieden, um sich darüber hinweg zu setzen?
Titus Müller hat mit seinem Buch „Berlin Feuerland“ einen hervorragenden atmosphärischen historischen Roman vorgelegt, der wieder einmal zeigt, mit welcher Feinfühligkeit und Liebe zum Detail der Autor zu erzählen weiß. Müllers Schreibstil ist von der ersten Seite an fesselnd und durch die verwandte etwas altmodische Sprachweise sehr authentisch, so wird der Leser regelrecht in die Anfangszeit des 19. Jahrhunderts katapultiert. Der Spannungsbogen wird rund um Hannes und Alice aufgebaut und zieht sich bis zum Ende auf sehr hohem Niveau. Der historische Hintergrund ist akribisch recherchiert und auch die im Roman auftauchenden historischen Figuren wie Humboldt, Minutoli oder von Pfuel werden auf sehr intelligente Weise in die Handlung eingeflochten, was der Geschichte einen realen und glaubwürdigen Charakter verleiht und man als Leser das Gefühl nicht los wird, bei wichtigen historischen Auseinandersetzungen und Diskussionen als Zuhörer dabei zu sein. Ebenso so gekonnt sind die Darstellungen des Schlosses und des Industrieviertels Feuerland, man kann sich vor dem inneren Auge die Ansicht sehr gut vorstellen und sich dort bewegen.
Mit der Auswahl seiner fiktiven Charaktere hat der Autor ebenfalls ein besonderes Händchen fürs Detail bewiesen, sie berühren den Leser tief im Inneren. Alice, das Mädchen aus gutem Hause, wirkt zu Beginn noch naiv und oberflächlich, doch sie lehnt sich auch auf und ist neugierig genug für die Dinge, die um sie herum geschehen. Im Verlauf des Romans entwickelt sie Mut und Selbstbewusstsein ebenso, wie Mitgefühl und klaren Verstand. Hannes ist ein cleverer Kerl, der sich seine Träume von einem Leben in besseren Verhältnissen auf jeden Fall erfüllen will und sein Schicksal selbst in die Hand nimmt. Die Begegnung mit Alice verändert den jungen Mann, der gegen jede Gewalt ist und doch auf einmal in die Situation kommt, gerade diese anwenden zu müssen.
„Berlin Feuerland“ beschreibt zwar nur einige wenige Tage der Berliner Revolution 1848, doch als Leser spürt man, durch Titus Müller eine Zeitreise in eine sehr spannende und prägende Zeit deutscher Geschichte gemacht zu haben. Die Mischung aus fiktiven Charakteren und realen historischen Fakten ist hier einzigartig, vermittelt sie doch bei der Lektüre das Gefühl, hautnah dabei gewesen zu sein. Alle Historienliebhaber, die Geschichte während des Lesens miterleben wollen, werden von diesem Buch begeistert sein. Titus Müller hat alles richtig gemacht, absolute Leseempfehlung ist hier ein MUSS. Chapeau!