Rezension

Die Brüder Goncourt: so haben sie gelebt.

Doppelleben -

Doppelleben
von Alain Claude Sulzer

Bewertet mit 4 Sternen

Ich habe einen (für mich) neuen Autor entdeckt. Es lebe die Schweiz. Sie hat gute Literaten!

A. C. Sulzer widmet sich in seinem Roman dem Brüderpaar Goncourt und ihrer Zeit. Es handelt sich bei „Doppelleben“ um einen historischen Roman. Freilich nimmt sich der Autor bei der künstlerischen Gestaltung einige Freiheiten heraus, es ist eben ein Roman und keine Biografie. Gründlich studierte der Autor jedoch die Quellen: die Brüder führten ein Tagebuch, das zusammen mit den anderen Romanen, die sie verfassten, die Grundlage für den Roman von heute bildet.  

Der Kommentar: 
In dem Roman „Doppelleben“, der durch seine Sprache, seine Bildhaftigkeit, seine leise Ironie und das dezente Einflechten des historischen Hintergrunds besticht, erlebt man sowohl das Brüderpaar, ihren familiären Background und die feine Gesellschaft - wie man auch die Kehrseite des funkelnden Lebens der Oberschicht zu Gesicht bekommt, nämlich das Leben der ausgebeuteten Unterschicht. 

Exemplarisch dafür steht Rose, das Dienstmädchen der Brüder, die bereits in jungen Jahren ins Haus kam und schon ihrer über alles geliebten Mutter diente. Dass Rose jedoch kein behagliches Leben in ihrem Haus hatte, erfahren die Brüder in vollem Umfang erst nach ihrem Tod. Wie die Brüder darauf reagieren, auch das erzählt uns Alain Claude Sulzer. 

Die Unterscheidung dessen, was einerseits Sulzer geschrieben hat und was die Brüder selber über Rose in ihrem Roman „Germinie Lacerteux" (1865) festgehalten haben, ist schwierig bis unmöglich. A. C. Sulzer macht dies nicht kenntlich. 

Der historischen Figur Rose kommt man nur bedingt auf die Spur, da die Brüder Goncourt in ihrem Roman über sie natürlich nicht nur deren Leben, sondern auch ihre eigene Weltanschauung samt ihre mit Standesdünkeln behafteten Wertungen einfließen ließen. Die Figur der Rose, die eine tragende Rolle in „Doppelleben“ innehat, ist exemplarisch, nicht unbedingt authentisch. Und trotzdem ist sie eine wichtige literarische Figur, an der sich andere Schriftsteller ein Beispiel genommen haben. Der Naturalismus fand Eingang in die Literatur.

Fazit: Immerhin haben die Brüder Goncourt mittelbar den Prix Goncourt gestiftet, einen der bedeutendsten Literaturpreise Frankreichs. An sie  erinnert zu werden, ist ein Vergnügen. 

Kategorie: Historischer Roman
Verlag: Galiani. Berlin. 2022/Kiwi.