Rezension

Die Farbe von Trauma

Unter Deck -

Unter Deck
von Sophie Hardcastle

Bewertet mit 4 Sternen

Zu Beginn des Romans lernt Olivia Mac kennen, einen Bootsbesitzer, der sie ihren Rausch auf seinem Segelboot hat ausschlafen lassen. Er bietet ihr an, mit ihm und einer Freundin in den nächsten Wochen zu segeln. Der Segeltörn mit Mac und Maggie bringt Olivia dem Meer nahe und veranlasst sie dazu, die nächsten vier Jahre auf Segelschiffen zu arbeiten. Bis zu einem Törn, bei dem sie sich als einzige Frau mit einer Gruppe von Männern auf einer Yacht wiederfindet. Der Törn wird für sie zum Trauma. Eine Vergewaltigung und Demütigungen reihen sich aneinander und führen dazu, dass sich Olivia vom Leben auf dem Wasser verabschiedet. Sie zieht nach London, arbeitet fortan in einer Galerie und kuratiert Ausstellungen für Künstlerinnen. Doch die Erlebnisse der Vergangenheit lassen sie nicht los und sie merkt, dass sie sich ihnen stellen muss. 

“Unter Deck” ist ein Roman über den Umgang von Männern mit Frauen in der heutigen Gesellschaft. Oli wird von den Männern auf der Yacht nicht als vollwertig genommen. Sie trauen ihr nicht zu, dass sie das Boot alleine segeln kann, trotz ihrer vierjährigen Erfahrung. Stattdessen sehen sie in ihr an erster Stelle ein Objekt der Begierde und höchstens noch eine Köchin. Ähnlich geht es vielen Künstlerinnen. Auch sie werden mit ihrer Arbeit nicht wahr- und ernstgenommen. 

Der Roman erzählt davon, wie es ist, mit den eigenen Talenten, Wünschen, Zielen und Anliegen nicht in der Mitte stehen zu dürfen, sondern ständig an den Rand gedrängt zu werden. So wird auch der Zugang für POC zur höheren Bildung angesprochen oder der Umgang des sozialen Umfelds von Homosexuellen mit deren sexueller Identität. 

Dass all diese Themen erwähnt werden ist theoretisch lobenswert. Allerdings sorgt es im Falle dieses Romans dafür, dass er teilweise zu konstruiert und überladen wirkt. Es entsteht das Gefühl, dass die Autorin alle nur erdenklichen Themen und Probleme der Gegenwart in ein Buch fassen wollte: #metoo, Klimawandel, die Verbrechen der Kolonialisierung, institutioneller Rassismus, usw. Das führt dazu, dass der Roman an Glaubwürdigkeit verliert und dass auch das Trauma, das seinen Mittelpunkt bilden soll, in den Hintergrund gerückt wird. 

Sprachlich ist der Roman hingegen intensiv und wirkt oft poetisch, was auch mit der Synästhesie der Protagonistin zu tun hat, die sie Gefühle, Menschen, Szenen und Gegenstände in Farbe wahrnehmen lässt. Es sind vor allem die traumatischen Erlebnisse auf dem Boot, die sprachlich am meisten herausstechen. Der Autorin ist es gelungen, die Gefühlswelt der Protagonistin während dieser Zeit auf sehr eindrückliche und authentische Weise zu beschreiben, was schwierig ist und daher umso bemerkenswerter. 

Ein Roman also, der nicht vollständig zu überzeugen vermag, aber sprachlich und hauptthematisch durchaus stark ist.