Rezension

Die Frau gefangen zwischen Patriarchismus und Moderne

Effi Briest - Theodor Fontane

Effi Briest
von Theodor Fontane

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Effi Briest" handelt von der gleichnamigen Protagonistin, die als junges Mädchen an den älteren Baron von Instetten verheiratet wird. Die lebens- und abenteuerlustige Effi sieht ihren Mann skeptisch, gleichzeitig aber regt sich in ihr der gesellschaftliche Ehrgeiz mit dieser Ehe voran zu kommen. Angekommen in ihrem neuen Heim, beginnt für Effi das Elend. Geängstigt von den nächtlichen Geräuschen, eingeschüchtert durch die Maßregelungen ihres Mannes und allein gelassen, wird die junge Frau immer unglücklicher. Vor diesem Hintergrund öffnet sie sich dem Major Crampas, da er ähnlich wild wie sie selbst ist. Doch genau diese Handlung zerstört Effis Leben für immer...

"Effi Briest" ist der wohl bekannteste Roman Theodor Fontanes und das durchaus zurecht. In diesem Gesellschaftsroman wird das Bild einer modernen jungen Frau gezeigt, die am starren alten preußischen System des 19. Jahrhunderts scheitert. Modern meint dabei, dass Effi gesellschaftliche Konventionen durchaus lockerer sieht und dadurch konnte sie ihre Unbekümmertheit und ihren abenteuerlichen Tatendrang bis zu ihrem 17. Lebensjahr voll ausleben. Gleichzeitig ist sie aber auch die Tochter einer gesellschaftsfrommen Frau, die ihre Tochter vom gesellschaftlichen Status her voran bringen möchte. Dieser Ehrgeiz der Mutter wird auch auf die Tochter übertragen, so dass diese ihre kindliche Freiheit für den sozialen Aufstieg aufgibt und trotz ihrer Ängste den einstigen Liebhaber ihrer Mutter ehelicht. Mit dieser Handlung wird zunächst Effis Mutter kritisiert. Zum einen ist sie die liebevolle Mutter und doch sind ihre tatsächlichen Handlungen sehr widersprüchlich. Sie verheiratet ihre Tochter, obwohl sie feststellen muss, dass diese Ehe nicht glücklich werden kann und dann verstößt sie ihre später von der Gesellschaft bereits verstoßene Tochter ebenfalls, weil diese Handlung von der Gesellschaft erwartet wird. Nebenbei ist dies auch das Motiv der verkauften Braut, das ebenso stark von Fontane kritisiert wird.

Dennoch ist Effi nicht die "Heldin" Fontanes. Auch er verstößt seine Figur. Zwar inszeniert er sie zunächst als Opfer ihrer Mutter und der Gesellschaft, aber dass er sie schließlich als Ehebrecherin so zu Grunde gehen lässt, macht deutlich, dass für Fontane nicht die Lösung ist. Ein ganz wichtiger Punkt ist dabei, dass Effi vor allem an dem Ausschluss aus der Gesellschaft zerbricht. Es ist nicht die gescheiterte Ehe zu Innstetten, es ist nicht die Entfremdung von ihrer Tochter (zu der Effi bereits zu gemeinsamen Zeiten keine intensive Beziehung aufgebaut hat), es ist alleine, dass nach dem Öffentlichwerden des Duells die Gesellschaft Effi offiziell als Ehebrecherin verurteilt und so für sie ein glückliches Leben nach ihren und vor allem nach den Vorstellungen der Mutter nicht mehr möglich ist. Interessant ist dabei, dass "Effi Briest" auf einer wahren Begebenheit beruht. Doch die "wahre" Effi hat sich vom Status der Ehebrecherin nicht unterkriegen lassen. Sie hat angefangen zu arbeiten und war damit wirklich die moderne Frau, die auch die fiktive Effi zunächst zu sein schien. Doch Fontane folgt diesem realen Vorbild nicht und verdeutlicht somit, dass auch die Frauen immer noch im preußischen System feststecken.

Ein letztes Thema, das bei Fontane immer wieder auftaucht, ist die Ehre. Hier wird das Duell um die Ehre sogar auf die Spitze getrieben. Eigentlich weiß von dem Ehebruch nur Innstetten und natürlich die eigentlich Beteiligten (Effi und Crampas) selbst. Instetten vertraut diese Ehrverletzung jedoch seinem Kollegen Wüllersdorf an. Damit macht er die gesellschaftliche Schande offiziell und kommt eigentlich um ein Duell gar nicht mehr herum. Wüllersdorf bietet ihm darauf hin an, die Angelegenheit zu vergessen, doch Instetten lehnt ab. Hier wird wieder einmal betont, wie überholt das Ehrduell bereits ist und durch die Sturköpfigkeit Instettens angesichts der Diskrepanz zwischen innerer und äußerer Ehre wirkt sein Handeln schon lächerlich.

"Effi Briest" bietet wie alle Fontane-Romane eine ganze Reihe an Themen, an denen in ausgezeichneter Weise herausgearbeitet wird, woran die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts scheitert. Seine Romane leben nicht von sympathischen Charakterer oder herzzereißenden Liebesgeschichten. Daher findet man auch in "Effi Briest" keine Figuren zum Mitfiebern. Natürlich hat man Mitleid mit Effi und gleichzeitig ist einem als Leser bewusst, das all dies so hätte nicht kommen müssen. Und so bleibt für den Leser nur noch anzuerkennen, mit welcher Genialität Fontane die preußische Gesellschaft wiedergibt und vor allem wie er diese Aufgabe erzähltechnisch auf höchstem Niveau meistert!