Rezension

die Geschichte ist ausbaufähig

Casting - Yvonne Richter

Casting
von Yvonne Richter

Bewertet mit 2 Sternen

Lovis und Jo leben in einer Welt, die von Castings beherrscht wird. Wenn man das Casting gewinnt, erhält man einen guten Preis. Essen, Wohnung oder Schule, alles kann gewonnen werden. Doch man muss dafür einiges tun. Es geht klassisch, wie z. B. singen, kochen oder mit seinen Talenten angeben. Aber je höher der Einsatz, umso besser auch der Gewinn. Die Welt besteht nur noch daraus, zu bestehen oder gnadenlos unterzugehen. Wer nichts kann, wird ausgemustert. Lovis und Jo wollen ausbrechen und versuchen einen Weg zu finden, sich aus dem System zu befreien und trotzdem ein gutes Leben zu führen. 
Für diese Rezension muss ich etwas weiter ausholen. 
Zuerst war ich überrascht, mit welch "kindlicher" Sprache die Geschichte doch erzählt wird. Nach Beendigung des Buches kann ich deutlich sagen, dass es sich eher um ein dystopisches Kinderbuch handelt. Erwartet hatte ich jedoch eine Dystopie für Teenager bzw. junge Erwachsene. Und mit etwas mehr Härte, Brutalität und "Düsternis".
In kurzen, einfachen Sätzen wird die Story erzählt. Hierbei wird allerdings nicht viel Wert auf die Beschreibung der Umgebung oder der Orte gelegt (außer in der zweiten Hälfte des Buches, aber auch nicht so ausgeprägt wie gewünscht), sondern eher auf das Miteinander der einzelnen Charaktere bzw. die Castings. 
Lovis und Jo sind zwei Jugendliche, die sich mit eben diesen Castings über Wasser halten. Diese Castings scheinen allerdings eher Spielshows zu sein, bei denen der Gewinner eben einen Preis erhält, der es ihm möglich macht, seine Zukunft oder seinen Unterhalt zu gestalten. Gewinne sind z. B. eine Wohnung (für einen begrenzten Zeitraum), Essen, Kleidung oder auch ein Schulbesuch. Je "intensiver" das Casting, umso höher auch der Preis. Lovis hat schon einiges gewinnen können, doch zusammen mit Jo, die er bei einem Casting kennenlernt, bei dem es Essen zu gewinnen gibt, versucht er nun, aus dem System auszubrechen und einen Weg zu finden, ein Leben zu führen, ohne ständig an irgendwelchen Spielen teilnehmen zu müssen.
Die Grundidee fand ich sehr ansprechend, nur leider hat es in meinen Augen nicht so mit der Umsetzung geklappt. Dies lag teilweise auch daran, dass das Buch eben sehr kindgerecht gehalten wurde. Auch der Zusatz "Spiel ums Leben" ist für mich falsch gewählt. Denn eigentlich geht es zu keiner Zeit darum, dass jemand sein Leben gefährdet. Gewinnt man nicht, geht man eben leer aus und probiert es bei einer anderen Show.
Lovis und Jo blieben mir auch etwas fremd. Sie sind zwar sehr forsch und auch clever, stürzen sich in Abenteuer und versuchen, ihre Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen, doch konnte ich keinen Bezug zu ihnen herstellen. Sie bleiben blass. Ihr Verhalten war für mich teilweise nicht nachvollziehbar. Auch war es mir unklar, warum die Erwachsenen sich so sehr von den Kindern bevormunden lassen. Wenn Lovis, Jo und deren Freunde eine Idee hatten, wurde diese von den Erwachsenen anstandslos angenommenen und umgesetzt. Die Autorität wurde dadurch untergraben und es kam mir am Ende so vor, als wären die Erwachsenen die "Dummen", die keine Ahnung hätten und auf die Jugendlichen angewiesen sind.
Auch die Entwicklung dieser dystopischen Welt ist mir etwas zu "schnelllebig". Lovis z. B. kann sich noch erinnern, mit seiner Mutter in einem Haus mit Garten gewohnt zu haben. Aber als die Castings überhand nahmen, wurde alles umgekrempelt und Lovis Mutter arbeitet nun in einer Fabrik, hat ein kleines Kämmerchen für sich zum Schlafen und ihr Sohn pendelt munter von einem Casting zum nächsten, um sich über Wasser zu halten. 
Aber auch bei den anderen Kindern, die nach und nach auftauchen, ist dies so. Viele haben keine Eltern mehr (warum, wird nie erwähnt). Auch sie schlagen sich mehr schlecht als recht durchs Leben. Wer keine Wohnung hat, muss im Park schlafen. Wer kein Essen hat, muss es sich erbetteln oder stehlen. Und irgendwie scheint alles so einfach gestrickt, jeder nimmt dies wortlos hin. Dass es aber vor kurzem (ich denke in etwa 10 Jahre) noch normal war, dass jeder ein geregeltes Leben mit Dach über dem Kopf und Job hat, ist wie aus dem Gedächtnis gelöscht.
Wie gesagt, die Grundidee ist gut, die Details sind jedoch nicht ausgereift. Als Kind würde ich wahrscheinlich gar nicht so viel Sachen in Frage stellen, weshalb ich das Buch - wie oben schon geschrieben - eher als Kinderbuch ansehen würde. Als Erwachsener fehlen mir jedoch die Tiefe, die Ursache sowie weitreichende Erklärungen zu dem Wieso und dem Weshalb.
Die gewählten Namen der Charaktere waren ebenfalls sehr gewöhnungsbedürftig. Allen voran schon "Lovis", der Name des Hauptcharakters. Aber auch die Castingmenschen hatten Namen, bei denen ich mehrmals den Kopf schütteln musste. Kami Katze, QuasselnStrippe oder gar Herr Kon To waren dann doch zuviel des Guten und ich werte das Buch nun endgültig als eine Kindergeschichte ab.
Die Aufmachung des Buches muss ich jedoch wieder positiv bewerten. Alles ist lilafarben gehalten und der Schnitt ist ebenfalls sehenswert. Er ist in rosa gehalten und so wirkt das Buch von außen her sehr edel aufgemacht. 
Das Ende war dann doch etwas überraschend, jedoch viel zu schnell. Auch hier hätte ich mir gerne etwas mehr Erklärung gewünscht.
Fazit:
Schade, dass die Idee nicht so gut mit der Umsetzung harmoniert.