Rezension

Die letzte Zugfahrt

Was dir bleibt -

Was dir bleibt
von Jocelyne Saucier

Bewertet mit 4 Sternen

Ein Buch mit vielen Zwischentönen und die Frage was bleibt. Der Beginn war etwas schwer, aber das Buch ist diese Reise wert.

Gladys steigt einfach in den Zug uns ist weg. Keiner weiss wohin die Reise gehen soll, keiner wurde eingeweiht. Und wie kann es Gladys wagen ihre Tochter Liana alleine zu lassen? Liana die doch so Sehnsucht nach dem Tod hat und immer wieder versuchte sich umzubringen. Alle sorgen sich um Gladys und starten eine Suchaktion, denn keiner möchte sich um Liana kümmern…

„ Sie glauben, dass Gladys am Morgen des 24. September einfach drauflosgefahren war, ohne feste Strecke im Kopf, ohne eine Plan, „wie eine Flaschenpost im Meer“, eine Flaschenpost, die sich von einem Zug zum nächsten treiben ließ, ganz gleich, in welche Richtung er unterwegs war, wichtig war nur eins: sich schaukeln, wiegen, davontragen lassen vom Rattern der Räder, in die Geborgenheit eines Waggons, der dem Waggon ähnelte, in dem sie zur Welt gekommen war.“ (Seite 91)

Ich mag die Bücher und vor allem den Schreibstil der Autorin. Ihr gelingt es meist einige Zwischentöne einzubauen die sich sehr langsam offenbaren. So ist es auch hier, womöglich ist es hier am stärksten zu bemerken.

Der Einstieg hier ist mir diesmal schwer gefallen da die Geschichte von einer Person erzählt wird die Gladys nicht persönlich kannte und eigentlich „nur“ einen Beschwerdebrief an die Bahngesellschaft schicken wollte weil die Zugverbindungen in die „Wildnis“ immer stärker eingeschränkt werden sollen. Gerade zu Beginn erklärt der Erzähler unheimlich viel über Züge und schweift regelrecht ab.

Jedoch beweist die Autorin auch hier wieder ein Händchen für eine sehr bildhafte Beschreibung mit einem Zug durch Kanada zu fahren, dieses Gefühl von Freiheit, Natur und Abenteuer kommt an den Leser sehr gut ran. Von der Thematik der „school trains“ und ihre Faszination ganz zu schweigen.

Obwohl Gladys in ihrer Geschichte nicht selbst erzählt habe ich sie stets bewundert und in mein Herz geschlossen. Durch alte Wegefährten, Nachbarn, Freunde (zumindest nennen sie sich so), ehemalige Mitschüler und Bekannte wirft jeder seine Meinung und Ansicht zu Gladys in diesen grossen Topf. Es war sehr interessant wie die Menschen Gladys gesehen haben. Gerade als sie mal nicht so handelt wie gewünscht.

Es wird keine komplette Auflösung in diesem Buch geben. Manche Dinge sind gewiss, viele jedoch reine Spekulation. Gerade das Ende ist auf der einen Seite so untypisch und aberwitzig, dann aber doch mit dem Hintergrund – keiner hat die wahren Beweggründe je gehört und nun muss es aber trotzdem einen geben, egal wie bescheuert die Theorie auch sein mag. Man mag fast sagen- typisch Mensch eben.

Die schon erwähnten Zwischentöne beziehen dich hier auf die verschiedensten Ansichten zum Thema Sterben und Tod. Was bleibt einem zum Ende hin wirklich? Sind Freunde auch noch für dich da wenn du mal einen ganz anderen Weg gehst? Können Fremde Freunde oder sogar Familie werden? Wer bestimmt unser Leben denn wirklich?

Das Buch wird viele Erwartungen vielleicht übertreffen, aber ebenso viele enttäuscht zurücklassen. Mich persönlich konnte die Autorin, trotz Anfangsschwierigkeiten, wieder gefangen nehmen, ich war auf einer wunderschönen Zugfahrt durch das wilde Kanada und habe die Zwischentöne des Buches sehr genossen.