Rezension

Die linke Frau

Die dritte Frau -

Die dritte Frau
von Wolfram Fleischhauer

Bewertet mit 3 Sternen

Vor Jahren schrieb ein junger Autor einen historischen Roman über das geheimnisvolle Renaissance-Gemälde »Gabrielle d’Estrées und eine ihrer Schwestern«. Trotz jahrelanger Recherchen gelang es ihm nur zum Teil, das Rätsel um den Tod der schönen Herzogin zu lösen, die wenige Tage vor ihrer Hochzeit mit dem französischen König Heinrich IV. unter bis heute ungeklärten Umständen starb. Nun aber werden dem Autor unbekannte Quellen zugespielt – und zwar von einer direkten Nachfahrin der zweiten Frau auf dem Gemälde. Unaufhaltsam gerät der Autor in den Bann der geheimnisvollen Camille Balzac, und es entspinnt sich ein obsessives Spiel aus Verlockung und Zurückweisung, an dessen Ende der Sturz in den Abgrund droht: zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Liebe und Hass, Dichtung und Wahrheit – Mann und Frau.

Es geht wie im Vorgängerbuch um das Gemälde, das den Titel „Zwei Damen im Bad“ trägt, oder auch „Gabriele d‘Estrées und eine ihrer Schwestern“, und im Louvre hängt. Absolute Sicherheit, wer die Frau links ist, gibt es nicht; die meisten Deutungen wollen in ihr Gabrielles Schwester Julienne-Hippolyte d'Estrées, die Herzogin von Villars sehen. Doch, ausgehend von der Symbolik des Gemäldes, käme Henriette de Balzac d’Entragues, Gabrielles Nachfolgerin im Bett Henri IV., auch in Betracht. Hier setzt Fleischhauers Buch an.

Der Autor betreibt ein gelungenes Vexierspiel mit der Person des Ich-Erzählers, der sich als derjenige ausgibt, der vor 25 Jahren das Buch „Die Purpurlinie“ schrieb, der in Paris studierte, in Berlin lebt, mehrsprachig ist, zwei Kinder hat … also Fakten, die alle auf den Autor selbst zutreffen.

Nachdem er sich bisher nur mit der rechten Frau auf dem Bild beschäftigt hat, deren Identität eindeutig ist, gerät der Erzähler durch eine französische Familie namens „Balzac d‘Entragues“ auf die Spur der zweiten Frau, über die sich Dokumente und Briefe in der Nähe von Toulouse im Nachlass eines Nachkommen finden. Erbin ist Camille Balzac d‘Entragues, mit der sich der Erzähler auf ein gewagtes Spiel von Nähe und Distanz, Anziehung und Abstoßung, Begehren und Reserviertheit einlässt, das ihm zum Schaden gereicht.

Außer Erzähler und Camille werden nur zwei weitere Figuren beim Namen genannt, ihr Bruder und seine Agentin, alle anderen, auch seine Kinder wabern als nebulöse Gestalten irgendwo im Hintergrund.

Wenn man das Buch gelesen hat, weiß man über die historische Henriette nicht viel, anders als über Gabrielle nach der Purpurlinie. Ab Mitte des zweiten Teils geht es fast ausschließlich um das befremdliche Verhältnis zwischen Camille und Erzähler.

Für mich eine Enttäuschung, weil ich auf eine ähnliche wechselvolle Handlung in Jetztzeit und am Hof Henri IV. gehofft hatte.

Tritt überhaupt etwas Neues über das alte Gemälde zutage? Ist es nicht nur eine andere, eine feministische Sicht, aus der die Geschichte um Henri und Gabrielle beleuchtet wird? Verlange ich als Leserin zu viel, wenn ich eine Fortsetzung erwarte, dabei vielleicht mit neuen Verschwörungen oder abseitigen Interpretationen der Historie unterhalten werde?

Schade, Fleischhauer kann es meiner Meinung nach viel besser.