Rezension

Die Schuldenkrise war gestern

Offshore - Petros Markaris

Offshore
von Petros Markaris

Petros Markaris Kriminalromane um den Athener Kommissar Kostas Charitos in einen Topf mit denen von Bannalec, Walker sowie den üblichen Verdächtigen in Sachen Urlaubskrimi zu werfen, wäre gefrevelt. Warum? Weil der Autor mit seinen Romanen ein populäres Genre nutzt, um die gesellschaftlichen und politischen Zustände und Veränderungen der griechischen Gesellschaft im Zuge der Globalisierung auf den Punkt genau zu analysieren und zu beschreiben. Ihm geht es nicht nur um Unterhaltung, er will informieren und Denkanstöße geben.

Am Beispiel von Kommissar Charitos und dessen nächstem Umfeld zeigt und kommentiert Markaris den griechischen Alltag sehr eindringlich. Sehr informativ und empfehlenswert dazu ist seine Trilogie der Krise, bestehend aus den Bänden „Faule Kredite“, „Zahltag“ und „Abrechnung“. Und jeder Leser, der in diesem oder den vergangenen Jahren in Griechenland unterwegs war, konnte sich in Gesprächen mit Einheimischen davon überzeugen, wie detailliert der Autor die Stimmung im Land wiedergibt.

In „Offshore“, dem neuesten Kriminalroman der Reihe, ist die Krise zumindest vordergründig bewältigt. Die Situation für die Bevölkerung hat sich entspannt, der absolute Sparkurs der Regierung ist vorbei, und selbst den Staatsbediensteten werden Lohnerhöhungen in Aussicht gestellt. Kredite sind wieder leichter zu haben, und im Zuge dessen geben die Menschen bereits wieder Geld aus, das sie (noch) nicht haben. Auch Charitos macht hier keine Ausnahme und holt sein stillgelegtes Auto aus der Garage, den erhobenen Zeigefinger seiner skeptischen Gattin Adriani übersieht er geflissentlich. Gedanken darüber, wo das leicht verfügbare Geld so plötzlich herkommt, machen sich weder Charitos noch der Großteil seiner Landsleute. Und dass der Mord an einem Regierungsbeamten und einem Reeder damit in Zusammenhang stehen könnte, dämmert ihm leider erst im Laufe der Ermittlungen.

Wenn ich mir die aktuellen Entwicklungen in Griechenland anschaue, beschleicht mich ein komisches Gefühl, denn das, was Markaris in „Offshore“ beschreibt, erscheint mir nicht weit hergeholt. Die Sahnestücke des Staatseigentums werden an ausländische Investoren verkauft, eine gute Gelegenheit der Geldwäsche für dubiose Firmen, deren Kapital außerhalb der Eurozone zwischengelagert ist. Und diese Offshore-Banken pumpen nun Kapital ins Land. Den „einfachen Leuten“ wird es deshalb nicht besser gehen. Aber wer sind die Gewinner bei diesen Transaktionen? Stellt sich wirklich jemand diese Frage?

Seine Themen sind politisch, und Markaris verpackt sie in einer spannenden Krimihandlung, sodass sich jeder seinen eigenen Reim darauf machen kann. Er paart sie mit einer gehörigen Portion Sarkasmus, gibt einen Schuss „Family affair“ dazu und kreiert so eine unterhaltsame Lektüre mit Substanz, die dem einen oder anderen Leser mit Sicherheit die Augen öffnet. Lesenswert!