Rezension

Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty

Der Schiffsjunge - John Boyne

Der Schiffsjunge
von John Boyne

Bewertet mit 4 Sternen

Allgemeines zum Buch und dessen Aufbau:
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"Der Schiffsjunge" umfasst 638 Seiten, ist also schön umfangreich. Das Buch gliedert sich in fünf Teile, die sich wiederum in Kapitel gliedern. Besonders ist, dass mit jedem neuen Teil die Kapitelnummerierung wieder bei "Eins" beginnt. Die Kapitel sind teilweise recht umfangreich und daher zusätzlich in Abschnitte unterteilt. So lassen sich bequem Lesepausen einlegen, ohne das jeweilige Kapitel unbedingt zu Ende lesen zu müssen.

Dem eigentlichen Text vorangestellt sind zwei Karten, anhand derer sich die Reise der "Bounty" sowie des Beibootes der "Bounty" nachvollziehen lässt. Solche Extras finde ich immer spannend und so habe ich während des Lesens des Öfteren nach vorne geblättert, um die Route des Schiffes zu verfolgen.

Am Ende des Buches finden sich Literaturhinweise, in denen die Quellen angegeben sind, die John Boyne zur Recherche für seinen Roman genutzt hat und die interessierte Leser auch für vertiefende Studien nutzen können.

Geschrieben ist das Buch aus der Ich-Perspektive des John Jacob Turnstile.

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel "Mutiny on the Bounty" im Verlag Doubleday, einem Imprint von Transworld Publishers, London 2008.

Zum Inhalt des Buches:
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Mir selbst war vor dem Lesen des Buches zwar bekannt, dass es einmal eine Meuterei auf einem Schiff namens "Bounty" gegeben hat, aber von den genaueren Umständen dazu wusste ich nichts. Da auch der Klappentext darüber nicht viel verrät, will ich kurz umreißen, wovon das Buch handelt, ohne dabei jedoch zu viel vom Inhalt vorwegzunehmen.

Im ersten Teil des Buches, der im Jahr 1787 spielt, lernen wir unseren Protagonisten John Jacob Turnstile kennen. Dieser ist gerade 14 Jahre alt und verdient sich seinen Lebensunterhalt mit Taschendiebstählen. Dabei ist er eines Tages zu unvorsichtig und wird erwischt. Vor Gericht gestellt, wird er zu einer Haftstrafe verurteilt. Doch ihm bietet sich eine Wahlmöglichkeit: Entweder Gefängnis, oder als Kapitänsdiener mit auf die "Bounty". Na, wofür hättet ihr euch entschieden?

Der zweite Teil des Buches, der im Zeitraum von Dezember 1787 bis Oktober 1788 spielt, berichtet von der Reise der "Bounty" und dem Alltagsleben der Besatzung an Bord. Diese hat nicht nur mit Stürmen und den Meeresfluten zu kämpfen, sondern auch mit gähnender Langeweile, verordneten Tanzeinlagen und Machtkämpfen.

Doch all das ist schnell vergessen, als das Schiff nach endlos langer Zeit die Insel Tahiti erreicht. Vom Leben auf der Insel berichtet der dritte Teil des Buches, der den Zeitraum Oktober 1788 bis April 1789 umfasst. Die Schiffsbesatzung wird freundlich auf der Insel empfangen, sie werden mit Lebensmitteln versorgt und haben endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Doch es muss auch gearbeitet werden, denn es sollen Pflanzen des Brotfruchtbaumes gezogen und schließlich an Bord der "Bounty" gebracht werden. Nach einigen Monaten ist diese wieder bereit zur Heimfahrt, doch einigen Besatzungsmitgliedern gefällt es so gut auf der Insel, dass sie bleiben wollen. So kommt es schließlich zu einer Meuterei und der Kapitän des Schiffes wird in ein Beiboot verfrachtet, in dem er zusammen mit 18 Männern, die ihm loyal gegenüberstehen, die Heimreise antreten soll, während die "Bounty" wieder Kurs auf Tahiti nimmt.

Von der Heimreise in diesem Beiboot erzählt der vierte Teil des Buches, der einen Zeitraum von ungefähr 6 Wochen umfasst. In diesem Teil dominieren Hunger und Durst, Schwäche und Platzmangel die Handlung.

Ob es der verbliebenen Mannschaft gelingt, den Heimathafen zu erreichen und was aus der "Bounty" und deren Meuterern wird, erfahrt ihr im letzten Teil des Buches, zu dem ich nun aber nicht mehr verraten möchte. Lest am besten selbst!

Meine Meinung zum Buch:
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Der Klappentext des Buches spricht davon, dass John Boyne die Geschichte um die Meuterei auf der "Bounty" völlig neu erzählt. Ich kann leider keine Vergleiche anstellen, da ich keine andere Version als die aus diesem Buch "Der Schiffsjunge" kenne.

Die Entscheidung des Autors, das Buch aus der Ich-Perspektive zu schreiben, war genau richtig, und Turnstile wird der Rolle des Ich-Erzählers mehr als gerecht. Denn der junge Turnstile kommt tatsächlich wie ein Erzähler daher. Man hat während des Lesens das Gefühl, er würde vor einem stehen und seine Geschichte präsentieren. Dies wird vor allem dadurch erreicht, dass der Leser vom Schiffsjungen direkt angesprochen wird und so sehr stark in die Erzählung eingebunden wird. Man hängt ihm förmlich an den Lippen und fiebert seinen nächsten Worten entgegen.

Turnstile hat einen Erzählstil, der auf den ersten Blick etwas gewöhnungsbedüftig erscheint. Denn er verharmlost nichts, sondern erzählt munter drauf los. Dabei verstellt er sich nicht, sondern benutzt seine gewöhnliche Umgangssprache sowie teilweise recht derbe Kraftausdrücke. Äußerungen wie "das Hirn spritzte wie eine berstende Wassermelone in alle Richtungen" oder "der Kapitän macht aus meinen Därmen Hosenträger" sollen ohne weitere Kommentierung als Beispiele dafür stehen.

Turnstile ist ein gewitztes Kerlchen, dem ein derber Humor anzumerken ist. Damit versucht er, sich gegenüber der restlichen Schiffsbesatzung zu behaupten. Denn diese nimmt ihn nicht gerade freundlich auf. Turnstile ist der Diener des Kapitäns, weshalb ihm mit Misstrauen begegnet wird. Die Besatzung befürchtet, dass er alles, was vom Kapitän unbemerkt an Bord vor sich geht, an diesen verrät. Andererseits hat Turnstile auch einige Neider, denn wer steht nicht gerne in der Gunst des Kapitäns?!

Der Charakter des John JacobTurnstile ist sehr umfassend gezeichnet. Es wird nicht nur seine aktuelle Lebenssituation dargestellt, sondern es finden sich auch Rückblicke in seine Vergangenheit. Und Turnstile hat eine Vergangenheit hinter sich, die ich als sehr schlimm empfunden habe. So etwas wünscht man nicht einmal seinem ärgsten Feind. Beim Lesen dieser Rückblicke habe ich oft eine Gänsehaut bekommen und obwohl John Boyne hier vieles nur andeutet, ist doch offensichtlich, worauf er anspielt. Ich hoffe, dass jüngere Leser mit diesen Szenen umgehen können, da das Buch ja als historisches Jugendbuch eingeordnet wird.

Ein weiterer interessanter Charakter ist der des Kapitäns William Bligh. Denn er ist undurchschaubar. Einerseits ist er freundlich und hilfsbereit, nett zu seinen Matrosen. Doch seine Stimmung kann urplötzlich umschlagen. Dann ist er gereizt und launisch, brüllt herum und verliert die Kontrolle über sich selbst. Insbesondere passiert dies, wenn seine Befugnisse in Frage gestellt werden oder die Rangordnung an Bord nicht anerkannt wird. Kapitän Bligh hat es sich als Ziel gesetzt, ohne Todesfälle und Körperstrafen in den Heimathafen zurückzukehren. Ob es ihm gelingt?

Boyne schafft es hervorragend, den Alltag der Schiffsbesatzung darzustellen. Das Buch wirkt in sich einfach stimmig und authentisch. Denn die Matrosen haben kein leichtes Leben, sondern kämpfen gegen die Naturgewalten und teilweise auch gegen sich selbst. Denn es gibt Machtkämpfe an Bord, denen auch Turnstile zu Opfer fällt.

Größtenteils gelingt es dem Autor, den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten. Doch es gab für mich während des Lesens auch ein paar Längen. Das lag aber vor allem daran, dass nicht immer etwas passiert, sondern Boyne sich eben auch die Zeit dafür nimmt, die Eintönigkeit des Lebens an Bord zu beschreiben.

Besonders spannend war dagegen der vierte Teil des Buches, der den Überlebenskampf der 18 Besatzungsmitglieder und des Kapitäns beschreibt. Hier habe ich wirklich mitgefiebert und mir gewünscht, dass alle gesund und munter im Heimathafen ankommen. Auch Turnstile selbst baut durch seinen Erzählstil Spannung auf, denn er greift mit Sätzen wie "Hätte ich damals gewusst, was vor uns lag" in der Handlung vorweg und als Leser weiß man, dass irgendetwas schief gehen wird.

Insgesamt liest sich "Der Schiffsjunge" sehr flüssig und leicht. Der Schreibstil ist nicht besonders anspruchsvoll, nur eben etwas gewöhnungsbedürftig. Aber man liest sich schnell ein und hat dann auch Spaß an den Äußerungen Turnstiles. Ich musste während des Lesens an so manchen Stellen laut auflachen und fühlte mich dadurch gut unterhalten.

Mein Fazit:
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Mit "Der Schiffsjunge" gelingt John Boyne erneut ein durchweg lesenswerter historischer Roman, der gut unterhält und besonders durch dessen vorlauten Hauptcharakter John Jacob Turnstile besticht.