Rezension

Dilettant und Genie

Schliemann und das Gold von Troja -

Schliemann und das Gold von Troja
von Frank Vorpahl

Bewertet mit 3 Sternen

Ich liebe Bücher über Archäologie. Aber sie müssen kurzweilig sein und erzählerisch etwas drauf haben. Das hat dieses Sachbuch nicht zu bieten, trotz des spannenden Stoffes, habe ich mich sehr gelangweilt. Schade.

Heinrich Schliemann führte ohne jeden Zweifel ein bewegtes und zum Teil sogar entbehrungsreiches Leben. Am Anfang war er nichts mehr als ein junger Kaufmannsgehilfe, der sogar mit dem Besen in der Hand den Laden ausfegte. Seine Schulbildung war äußerst bescheiden und mit vierzehn vollendet. Allerdings war er nicht auf den Kopf gefallen, ganz und gar nicht.

Mit ein paar fremdsprachigen Büchern in der Hand brachte Heinrich Schliemann sich selbst mehrere Sprachen bei, die er dann tatsächlich auch fließend beherrschte. Durch die Fremdsprachenkentnisse und seine kaufmännische Begabung steig er rasch auf in seinem Metier und wurde nach Russland gesandt. Er sprach nahezu perfekt Russisch! Dort machte er sich bald selbständig und mit dem Indigogeschäft legte er den Grundstock für sein späteres, immenses Vermögen. Er sagt von sich selbst, er hätte oft Glück gehabt. Das mag wohl stimmen! Aber Glück allein war es nicht!

Warum Heinrich Schliemann sich später der Archäologie zuwandte, oder was er dafür hielt, ist nicht ganz schlüssig zu beantworten. Das Streben nach Anerkennung, das ihn aufgrund seiner Kindheitsgeschichte ein Leben lang angetrieben hat?

Jedenfalls gibt es keine Zeugen dafür, wie er den sogenannten Priamus-Schatz fand, eine uralte Goldschmucksammlung, die selber, genau wie ihr Finder früher, schließlich durch die Welt reiste, lange Zeit verschollen war und heute in Russland ausgestellt wird. Wem sie gehört ist umstritten. Deutschland etwa, dem Land, dem Schliemann den Schatz vermachte, der Türkei, wo die Ausgrabungstücke herkommen und von Schliemann widerrechtlich mitgenommen (gestohlen) wurden, Griechenland, dessen Staatsbürger Schliemann eine Zeit lang war oder Russland, das die Goldsammlung als Reparationszahlung nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmte? Russischer Staatsbürger war Schliemann ebenfalls gewesen. (Natürlich der Türkei; von dort wurde die Goldsammlung gestohlen).

Heinrich Schliemann war ein Weltenbummler und Weltenbürger. Er kostete sein Leben aus. Ob er auch ein Sympathieträger war, darf bezweifelt werden.

„Schliemann und das Gold von Troja“ steckt voller Informationen. Sowohl Schliemanns Leben und seine Schriftstellerei wie auch die Ausgrabungen und die dazugehörigen Theorien werden akribisch geschildert. Der Autor verwendet zahlreiche Auszüge aus den Tagebüchern von Schliemann und ist auch sonst zitierfreudig. Damit belegt er, wie es in der Wissenschaft üblich ist, Authentizität.

Frank Vorpahl verschweigt auch nicht, dass sich Heinrich Schliemann in seinem zweiten Leben als Archäologe (nach seinem Leben als Kaufmann und Weltreisender) in einer Grauzone zwischen Dilettantismus und Genie bewegte. Ohne den Haufen Geld, den er mit Geschick und einer guten Nase für Geschäfte erwarb, wäre er nie soweit gekommen. In gewisser Weise war Schliemann sogar ein Kriegsgewinnler. Geld räumt allerdings eine Menge Hindernisse aus dem Weg. Und Hindernisse gab es reichlich in den Ausgrabungsvorhaben in den östlichen Landstrichen. Andererseits war Schliemann ein begnadeter Autodidakt. Und zu einer unglaublichen Hingabe fähig.

Die Geschichte Schliemanns ist genau so spannend wie die Geschichte Trojas selbst. Allerdings, und das ist ein echter Wermutstropfen, legt der Autor Frank Vorpahl kaum Wert auf Erzählbarkeit. Man muss sich schon sehr interessieren, um das Buch „auszuhalten“. Mit Informationen wird man reichlich versorgt, das ist unbestritten, akribische Recherche tut es aber nicht allein, will man ein Sachbuch unters breite Publikum bringen. Für Fachzeitschriften braucht es keine Lesbarkeit, für ein populärwissenschaftliches Werk sehr wohl.

Fazit: ein Sachbuch, das ziemlich trocken, den Leser mit allen nötigen Informationen versorgt, hätte es erzählerisch „mehr drauf“, hätte diese Geschichte durchaus das Zeug zum Bestseller (gehabt).

Verlag: Galiani Berlin, Imprint von Kiwi, 2021
Kategorie: Sachbuch

Kommentare

Emswashed kommentierte am 07. Januar 2022 um 09:41

Wanda, Du bist eine Profetin! Erst gestern Abend sah ich einen Bericht über Schliemann im TV.