Rezension

Doktor wider Willen...

Iwans Doktor -

Iwans Doktor
von Will Berthold

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nachkriegsroman im Stil eines Groschenromans - interessante Einblicke in das Geschehen in Breslau 1945, allerdings ziemlich nach Schema F...

Breslau, Mai 1945. Nach 83 Tagen kapituliert die schlesische Metropole. Die Zerstörung ist enorm, der Krieg hat allein hier vierzigtausend Menschen das Leben gekostet. Dem Versprechen des sowjetischen Generalleutnants, in der Stadt für Ordnung und Frieden zu sorgen, mag niemand so recht zu trauen. Dr. Arno Brenner, einen Rechtsanwalt, verschlägt es auf eine Dienststelle des Innenministeriums der UdSSR. Hier sorgt sein Doktortitel für einige Verwirrung. Major Soslow ordnet unmissverständlich an: "Du Doktor, Du operieren". Widerstand ist zwecklos, denn Soslow arbeitet an der Idee, mit Hilfe deutscher Ärzte ein russisches Lazarett aufzubauen. Mitgefangen, mitgehangen, heißt es ab jetzt für den verzweifelten Brenner…

Wozu Challenges einen so treiben. Der Roman ist definitiv nicht mainstream, selbst beim großen A...-Riesen hat ihn noch niemand bewertet. Aktuell ist er auch nicht - den Roman gibt es in der eBook-Version von 2017 oder gebraucht als TB zu kaufen (3. Auflage 1981).

Von dem Autor habe ich noch nie etwas gehört, allerdings verrät der Umschlagtext:

Will Berthold (1924–2000) war einer der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftsteller und Sachbuchautoren der Nachkriegszeit. Seine über 50 Romane und Sachbücher wurden in 14 Sprachen übersetzt und erreichten eine Gesamtauflage von über 20 Millionen. Berthold wuchs in Bamberg auf und wurde mit 18 Jahren Soldat. 1945 kam er vorübergehend in Kriegsgefangenschaft. Von 1945 bis 1951 war er Volontär und Redakteur der "Süddeutschen Zeitung", u. a. berichtete er über die Nürnberger Prozesse. Nachdem er einige Fortsetzungsromane in Zeitschriften veröffentlicht hatte, wurde er freier Schriftsteller und schrieb sogenannte "Tatsachenromane" und populärwissenschaftliche Sachbücher. Bevorzugt behandelte er in seinen Werken die Zeit des Nationalsozialismus und den Zweiten Weltkrieg sowie Themen aus den Bereichen Kriminalität und Spionage. 

Kennt ihn einer von Euch? Eure Eltern? Großeltern? 

Ach, egal, hier soll es jetzt ja um das Buch selbst gehen, und der Klappentext verrät schon ausreichend, worüber hier geschrieben wird. Breslau, einst Deutsch, dann von den Russen zum Ende des Zweiten Weltriegs eingenommen, später den Polen überlassen, woraufhin die Deutschen vertrieben wurden. Der Roman erzählt nebenher von den unmenschlichen Zuständen und Ereignissen, konzentriert sich aber im Wesentlichen auf einzelne Schicksale.

Dr. Arno Brenner wird aufgrund seines Doktortitels dazu verpflichtet, einem neu gegründeten Lazarett für russische Soldaten als Chefarzt vorzustehen. Dabei interessiert es den russichen Major nicht, dass der Doktortitel ein juristischer ist: Arno Brenner soll operieren. Der schwitzt Blut und Wasser, kann jedoch einen ehemaligen deutschen Feldarzt rekrutieren und mogelt sich irgendwie durch die Tage.

Mehr als einmal ist er der festen Überzeugung, dass er nun auffliegen wird, doch das Schicksal scheint andere Pläne mit ihm zu haben. Deutlich wird, dass er und alle anderen deutschen Angestellten im Lazarett abhängig sind von den sehr launenhaften Russen, die gerne auch einmal ihr Mütchen an ihnen kühlen wollen. Einige Liebeleien sorgen für zusätzliche Erschwernisse, pflanzen aber auch Hoffnung in das Herz des Lesers.

Geschrieben ist die Erzählung sehr flüssig in einfach gehaltenen Sätzen, und bis auf einige Rechtschreibfehler ist daran nichts auszusetzen. Allerdings ist dieser Nachkriegsroman im Stile eines Groschenromans gestrickt, und trotz der teilweise wirklich üblen Geschehnisse zwischen Siegern und Besiegten besteht an einem zufriedenstellenden Ende von Anfang an kein Zweifel.

Durch Perspektivwechsel und unerwartete Einschübe gelingt es dem Autor jedoch, die Spannung zu halten. Allein das Ende war - hm, naja - mit der heißen Nadel gestrickt, sehr plump und kurz gehalten. Das hätte anders ausgefeilt sein müssen.

Tatsächlich habe ich hier einiges erfahren über die Geschehnisse in Breslau, was mir vorher nicht bekannt war. Der Schreibstil war dabei nüchtern und ließ wenig Emotionen zu, was angesichts einiger Gräueltaten auch besser war. Der Humor kam trotz allem nicht zu kurz, was insgesamt für eine nette Mischung sorgte. Gefallen hat mir, dass hier bei allen Grausamkeiten 'die Russen' oder auch 'die Polen' nicht als Schurken schlechthin geschildert wurden, sondern dass Will Berthold eine differenzierte Charakterzeichnung wählte und mehrfach betonte, dass es gute und schlechte Menschen in allen Völkern gibt.

Ein gut lesbarer Nachkriegsroman, einfach gehalten und doch informativ und ausreichend spannend. Not bad, wie der Franzose sagt... ;)

 

© Parden