Rezension

"Düstere neue Welt"

Timmy Quinn: Das Schiff & Der Wanderer - Kealan Patrick Burke

Timmy Quinn: Das Schiff & Der Wanderer
von Kealan Patrick Burke

Bewertet mit 5 Sternen

+++ Hinweis: Dieses Buch umfasst Band 3 und 4 der Timmy Quinn-Reihe, meine Buchbesprechung könnte deshalb Bezug auf die Handlung des vorigen Bandes nehmen. +++

Das Schiff
Etliche Jahre sind vergangen seit den Ereignissen in der alten Lederfabrik, Timmy (aller Unschuld und Hoffnung beraubt und deshalb nun nur noch Tim) will nichts mehr außer Vergessen und Seelenfrieden. Er fordert bei seinem Vater einen letzten Gefallen ein: Einen abgelegenen Ort, an dem es kaum Menschen, keine Morde und deshalb auch keine rachsüchtigen Toten hinter dem Vorhang gibt. Und so wird Blackrock Island Tims Zufluchtsstätte. Als jedoch ein altes Boot an den Strand gespült wird und in einer kleinen Kapelle der tote Geistliche Vergeltung einfordert, muss Tim erkennen, dass jeder Ort seine dunklen Geheimnisse hat und die abgelegene Insel an der irischen Küste keine Ausnahme bildet.

Der Wanderer
Durch seinen Vater erfährt Tim, dass die Toten hinter dem Vorhang nicht freiwillig hervortreten, sondern vielmehr jemand seine Finger im Spiel hat und sie steuert. Doch wer ist der Fremde und warum lässt er die Toten nicht ruhen? Die Geschichte dieses tragischen Wanderers wird hier erzählt und es ist eine düstere Geschichte voller Qual und Leid.

Leseeindruck

Nachdem ich begeistert Band 1 (Der Schildkrötenjunge & Die Häute) der Serie um Timmy Quinn verschlungen habe, musste ich mich einfach kurzum der Lektüre des zweiten Bandes widmen. Entsprechend hoch waren natürlich meine Erwartungen an dieses Buch und sie wurden keineswegs enttäuscht - ganz im Gegenteil.

Burke, der bereits in den ersten beiden Novellen ein großartiges Händchen für facettenreiche und gut gezeichnete Figuren bewiesen hat, legt hier noch eine ordentliche Schippe drauf. Besonders Tim hat eine unglaublich realistische und nachvollziehbare Wandlung vollzogen. Jeglicher Unschuld und Naivität beraubt, kämpft er sich durch das Leben, stets haarscharf an der Grenze zum Scheitern und dennoch nicht gebrochen. Ein tragischer "Held", der die Abgeschiedenheit sucht, um die Menschen zu schützen, die er liebt. Seine Gabe akzeptiert er zwar, doch widert sie ihn an und das Wissen um die Schuld seines Vaters lastet schwer auf seiner Seele. Und so trägt Tim viele seelische Narben, die niemals verheilen werden, ihn jedoch stets an die Präsenz der wartenden Toten hinter dem Vorhang erinnern. Doch trotz aller Tragik, die der Autor seiner Figur verleiht, sind es vor allem Mitgefühl, Sympathie und stets auch Mut und Hoffnung, die der Leser mit Tim in Verbindung setzt. Und so agiert unser Protagonist durchweg glaubhaft, während der Leser die Täler und Berge des Lebens Seite an Seite mit ihm durchschreitet, unentwegt bangend um sein Seelenheil.

Die Handlung ist geradlinig, nicht vorhersehbar, spannend, stellenweise schockierend und düster, voller Andeutungen und Ahnungen, die den Leser von der ersten Seite an mitfiebern lassen. Burkes Schreibstil (gelungen von Julia Hecht ins Deutsche übertragen) ist präzise und dabei sehr bildhaft, was einen hohen Lesegenuss zur Folge hat. Er lässt Bilder und Gerüche entstehen, die einem nicht selten einen kalten Schauer über den Rücken jagen. Dies und sein Talent, eine Geschichte einprägsam und nachhaltig auch zwischen den Zeilen erzählen zu können machen Kealan Patrick Burke für mich zu einem ganz besonderen Autor, der meiner Meinung nach noch viel zu wenig Aufmerksamkeit im deutschprachigen Raum erhält.

"Ein Zischen vom Hauptschiff, als ein Streichholz angerissen wurde und eine Kerze berührte, dabei die Flügel der Trauer entzündete und eine Seele erhellte, solange wie das Licht andauern mochte. (...) Ein blasser Anflug von Rauch, als eine Seele von einem Luftzug aus dem Eingang ausgelöscht wurde." (Zitat, Seite 8)

Auf den Inhalt beider Novellen möchte ich an dieser Stelle nicht näher eingehen. Nur soviel: "Das Schiff" knüpft einige Jahre nach den Geschehnissen in der alten Lederfabrik an Timmys Geschichte an. Besonders der Anfang setzt das Wissen um den Inhalt der ersten beiden Geschichten voraus, bevor sich dann auf Blackrock eine zunächst eigenständige Handlung entspinnt, die in ihrem Verlauf aber immer wieder Bezug auf die Vergangenheit nimmt.
Mit "Der Wanderer" erzählt Burke die eigentliche Geschichte hinter der Geschichte und beantwortet damit viele Fragen, wirft aber gleichzeitig auch neue auf und leitet so geschickt den letzten Band ein, der in Deutschland in Kürze erscheinen soll.

Für mich war dieser zweite Band der Trilogie fast noch besser als der erste, was wohl daran liegen könnte, dass mir Tim als gezeichneter Erwachsener näher war und ich persönlich tragische Figuren mag. Mir hat die Entwicklung aller Charaktere sehr gefallen, da sie trotz der Horror- und Mystikelemente sehr realistisch war. Außerdem erreicht Burke trotz der Kürze der Geschichten eine noch größere Tiefe, was mich voller Vorfreude dem finalen Band der Reihe entgegenfiebern lässt.

Fazit

Auch der zweite Band der Timmy Quinn-Reihe ist ein Hochgenuss für Liebhaber des Horrorgenres. In meinen Augen toppt Burke hier sogar noch seine bisherige fabelhafte Leistung beim ersten Band. Von mir gibt es deshalb eine absolut uneingeschränkte Lesempfehlung.