Rezension

Dunkel, intelligent und bildhaft

Vogelmanns Schatten - Steven Savile

Vogelmanns Schatten
von Steven Savile

Bewertet mit 5 Sternen

Declan Shea, unser Protagonist, erfährt in “Vogelamanns Schatten” eine sowohl körperliche als auch geistige Wandlung und nimmt den Leser mit auf eine Reise in die tiefsten Winkel unseres Vorstellungsvermögens.

Nachdem er bei einem Autounfall ungewollt einen Stadtstreicher tötet, endet auch sein altgewohntes Leben und macht Platz für eine andere Art von Existenz. Nichts ist mehr, wie es war – nichts ist mehr, wie es zu sein scheint. 
Stadtstreicher, die sich selbst verstümmeln, groteske Begegnungen und bizarre Ereignisse bestimmen von nun an sein Leben. Als er beschließt, der Sache auf den Grund zu gehen, begegnet er Malachi, einem alten, geheimnisvollen Mann, der sich seiner annimmt und ihn auf seine Bestimmung vorbereitet. Declan’s Schicksal ist bereits beschlossen und besiegelt – er weiß es nur noch nicht …

Der Protagonist erzählt uns seine Geschichte aus der Ich-Perspektive. Wir dürfen einen intensiven Blick in seine Seele werfen und auf diese Weise tief ins Geschehen eintauchen.
Vogelmanns Schatten ist kein Horror-Roman im üblichen Sinne. Hier jagt keine Action die nächste, und hier sitzt auch niemand zitternd im Dunkeln. Spannung wird in diesem Roman anders erzeugt. Ich habe lange darüber gegrübelt, wie ich es am besten beschreiben kann, um dann zu dem Ergebnis zu kommen, dass mir dazu eigentlich der entsprechende Wortschatz fehlt. Die düstere und äußerst bizarre Atmosphäre ließ mich augenblicklich an den Film “The Crow” denken. Wir haben einen Helden, der eigentlich keiner ist und der auch keiner sein will. Seine bizarren Erlebnisse, so absurd sie einem auch erscheinen mögen, nehme ich als “normal” hin, obwohl sie alles andere als das sind. Zu verdanken habe ich das Steven Savile’s äußerst bildhaftem Schreibstil, der in seiner vielfältigen Wortgewalt schnell die Kontrolle über mein oberflächliches Denken übernimmt. Manche Sätze habe ich mehrmals gelesen, weil ich eine andere, seichtere Lesegeschwindigkeit gewöhnt bin.
Für dieses Buch musste ich mein Leseverhalten ändern. Ich las anfangs mit einem Stirnrunzeln und später mit ehrfürchtigem Staunen über diese besondere Art zu schreiben.

Fast würde ich diesen Roman als lyrisch bezeichnen. Es reimt sich nichts, man kann es auch nicht singen, aber es hat durchaus dichterischen Tiefgang. Ich habe, neben einer Vielzahl an Metaphern, philosophische Ansätze entdeckt, die menschliche und gesellschaftliche Aspekte hervorheben. Als besonders hervorgehoben empfand ich das Gleichgewicht aus Geben und Nehmen, das es zu bewahren gilt. So kann man tatsächlich behaupten, dass “Vogelmanns Schatten”, zumindest für mich, eine Moral hat. Diesbezüglich hat mich die Geschichte selbst über das Lesen hinaus noch intensiv beschäftigt.

Umgebungen und Zustände sind detailreich und bildhaft beschrieben. Das gilt auch für die Horrorelemente, die ebenso reichlich wie ausführlich vorhanden sind. In diesen Szenen wird nichts ausgelassen oder beschönigt. Hier ist die Schreibweise hart und direkt – drängt mir grauenvolle Bilder auf und bedient ausgesprochen gut meine primitive Horrorgier.

Ich sage es, wie es ist: Steven Savile hat eine ausgesprochen blühende Fantasie, die er mit Worten und inneren Bildern zum Ausdruck bringt, die man nicht so schnell verarbeiten kann, wie man lesen möchte. Deswegen habe ich für dieses Buch auch länger als üblich gebraucht. Es war sehr anstrengend, und ich fühle mich erschöpft und ausgelaugt. Trotzdem bekomme ich die Bilder und Eindrücke nicht aus meinem Kopf. Ich grüble darüber nach, versuche zu verstehen und komme zu keinem Ergebnis, weil es keines gibt. Man muss das Buch selber gelesen haben, um zu verstehen, was ich meine. Deswegen habe ich jetzt auch das Gefühl, mit vielen Worten rein gar nichts gesagt zu haben.

Fazit:
“Vogelmanns Schatten” ist dunkel, bizarr, intelligent und bildhaft. Es ist ein anspruchsvolles Werk, das dem Leser seine ganze Aufmerksamkeit abverlangt, ihm aber eine wertvolle Leseerfahrung schenkt, wenn er sich ihm hingibt.