Rezension

Ein äthiopischer Prinz kommt nach Deutschland

Draußen nur Kännchen - Asfa-Wossen Asserate

Draußen nur Kännchen
von Asfa-Wossen Asserate

Bewertet mit 3 Sternen

Asfa-Wossen Asserate zeichnet ein Porträt seiner deutschen Wahlheimat, ihrer Bewohner und ihrer Eigenheiten – ganz persönlich und aus vielen überraschenden Blickwinkeln, in unterhaltsamen Anekdoten und Ausflügen in die Geschichte. Seine Sichtweise ist keineswegs unkritisch, aber immer wohlwollend. Mit Nachsicht blickt er auf unsere Schwächen, stolz unterstreicht er Stärken, und aus jeder Zeile spricht seine Zuneigung zu diesem Land, das er in der Zeit seines Exils kennen und schätzen gelernt hat. »Draußen nur Kännchen« ist eine Hommage an Deutschland aus der Sicht eines »Zugereisten«, der hier Wurzeln geschlagen hat. (von der fischerverlage-Seite kopiert)

„Draußen nur Kännchen“ – versteht diesen Satz noch irgendjemand, der nach 1980 geboren ist? Für ein Buch von 2010 wäre ein Titel mit aktuellem Bezug sicher ein besserer Anziehungspunkt.

Ich hatte ein Buch erwartet, das, wie ich es von Rafik Schami kenne, unsere Eigenarten betrachtet und uns humor- und liebevoll den Spiegel vor Augen hält. Solche Momente finden sich in diesem Buch auch, aber sie sind nicht Kern oder Hauptthema.
In locker-flockigem Ton, doch immer auf distanziert-intellektuellem Niveau breitet der Autor sein profundes Wissen über und seine Sicht auf kulturgeschichtliche Errungenschaften Deutschlands und der Deutschen aus. Ob er über das Kaffeetrinken in Sachsen (mit einem Exkurs zum Meißener Porzellan) spricht, über die Kartoffel oder das Dienstleistungssysstem, immer finden sich geschichtliche Zusammenhänge, kulturelle Besonderheiten oder Ausflüge zu Themen der erweiterten Allgemeinbildung, wo er glänzen kann. Nicht aufdringlich oder eingebildet, aber sehr detailreich, breit und wortgewaltig.
Dazu muss man sagen: Der Autor ist ein privilegierter Mann. Schon als Kind lernte er die Sprache von deutschen Kindermädchen, und Geld spielte keine Rolle. Man merkt auch seinem Sprachstil an, dass er mit deutscher Literatur und ihren Klassikern groß geworden ist – im Buch erzählt er, dass er als Student auffiel, weil er das Deutsch der Brüder Grimm, von Goethe, Schiller, usw. sprach.

Ich glaube nicht, dass Asserate es mir übel nehmen würde, wenn ich ihn einen Konservativen nenne. Sowohl im positiven (als Bewahrer und Hüter der Werte) als auch synonym für „altmodisch“. Wie bereits in seinem Buch „Manieren“ zu lesen gelten ihm Höflichkeit und Respekt als unabdingbare Voraussetzungen für das soziale Leben; er beklagt den immer schärferen Ton in Alltag, Beruf und Firmen und die Unterordnung sämtlicher sozialer und kultureller Strukturen unter das Interesse der Wirtschaft, der Konzerne und Bankensysteme. Kommunikation als Gespräch, als Hinwendung zum Gegenüber und als Offenheit und Neugier vermisst er.

Ein gefälliges Buch, um sein Wissen aufzufrischen, bzw. zu erweitern, aber leider nur wenige „deutsche Fundstücke“, wie der Untertitel verspricht. Nett und angenehm zu lesen.