Rezension

Ein alter Fall wird aufgerollt

An der Kante - Jochen Bender

An der Kante
von Jochen Bender

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ein Menschenleben zählt hier nicht viel. Sollten Sie länger bleiben, werden Sie dies schnell merken...“

 

Jörg ist ein begeisterter Bergsteiger. Wieder einmal balanciert er am Abgrund. Gleichzeitig versucht er auf subtile Art, seine Frau Sonja ebenfalls dorthin zu locken. Dann ertönt ein Schrei.

Drei Jahre später bekommt Adrian, Jörgs Bruder, eine SMS. Darin steht, dass Jörgs Tod nicht die Folge eines Unfalls war. Es war Mord. Adrian wendet sich an die Polizei. Der Fall landet bei Hauptkommissarin Anita Schenk. Schnell stellt sie fest, das die Ermittlungen damals nicht sehr gründlich waren, um es vorsichtig auszudrücken.

Der Autor hat einen fesselnden Krimi geschrieben. Die Geschichte hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Anita Schenk ermittelt nicht nur im Falle Jörg Götz. Sie hat einen weiteren brisanten Auftrag erhalten. In Mannheim soll sie gegen einen Kollegen ermitteln. Es geht um Notwehr oder Mord. Gleichzeitig hat sie mit privaten Problemen zu kämpfen. Ihr Mann Bernhard ist ausgezogen. Er kommt mit ihrem Perfektionismus nicht zurecht.

Im Fall Jörg Götz verdichten sich die Beweise für Mord. Ein Anschlag auf Adrian sogt für weitere Zuspitzung. Die Spuren führen nach Afrika.

Der Schriftstil des Buches ist sehr ausgewogen. Neben rasanten Stellen, die für einen hohen Spannungsbogen sorgen, gibt es Szenen der Ruhe und Besinnung. Die Rückblicke in die Vergangenheit werden kursiv hervorgehoben. Die Charakteristik der möglichen Täter versetzte mich als Leser in eine Achterbahn der Gefühle. Besonders bei Sonja schwankte ich zwischen Mitleid und Verachtung. Im Prolog war ihre Angst mit Händen zu greifen. Im Laufe der vergangenen drei Jahre schien sie sich zu einer völlig anderen Persönlichkeit entwickelt zu haben. Das zeigt schon, dass es der Autor versteht, nicht nur die Emotionen der Protagonisten aus verschiedener Sicht zu betrachten, sondern auch seine Lesern immer wieder ein anderes Bild vor die Augen zu stellen. Dadurch macht das Mitdenken und Miträtseln viel Spaß. Obiges Zitat bekommt Roland gesagt, als er sich in Uganda um eine Stelle bewirbt. Wie viel Wahrheit darin steckt, erlebt er in den folgenden Tagen. Gut ausgearbeitete Dialoge bringen die Handlung voran oder geben Einblicke in die Gedankenwelt der Protagonisten. Einer der Höhepunkte in dem Zusammenhang war für mich das Gespräch mit der Psychologin zum Thema Angststörungen.

Die Ermittlungen in Mannheim werden für Anita zum Spießrutenlauf. Die dortigen Kollegen stehen auf der Seite des Beschuldigten und lassen es Anita auf unfeine Art spüren. Kameradschaftsgeist geht vor Recht und Gesetz.

Gut gelingt es dem Autor, die psychische Tiefe Anitas auszuloten. Sie ist eine starke Frau. Trotzdem war Bernhard für sie bisher immer ein notwendiger Ruhepunkt und ihr Halt in schwierigen Situationen.

Das Cover mit dem Schloss auf dem Berg wirkt ansprechend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es verbindet eine spannende Krimihandlung mit interessanten familiären Strukturen.