Rezension

Ein besonderer Sommer

Ein Sommer in Sommerby - Kirsten Boie

Ein Sommer in Sommerby
von Kirsten Boie

Bewertet mit 5 Sternen

„...Durch die Bodenöffnung zieht ein Duft nach oben, wie er zu Hause über den Flur weht, wenn Mama zu Papas Geburtstag Obstkuchen backt. Da fühlt sich der Dachboden auf einmal gar nicht mehr so fremd an...“

 

Die 12jährige Martha und ihre zwei jüngeren Brüder werden vom Vater mit der Nachricht konfrontiert, dass ihre Mutter bei der Dienstreise in Amerika einen Unfall hatte. Er muss sofort zu ihr reisen. Es gibt nur eine Möglichkeit. Da gerade Ferien sind, müssen die Kinder zur Oma, obwohl der Kontakt zu ihr seit Jahren abgerissen ist.

Die Autorin hat ein wunderschönes unterhaltsames Kinderbuch geschrieben.

Annika, eine Freundin der Mutter, bringt die Kinder nach Sommerby, einem kleinen Ort an der See. Dort stoßen sie auf die erste Schwierigkeiten. Zu Omas Haus führt keine Straße. Sie bahnen sich einen Weg über die Weide. Nach anfänglichen Problemen dürfen die Kinder bleiben. Dafür gesorgt hat Mats, der Jüngste. Er ist von den Hühnern und der Katze begeistert.

Der Schriftstil des Buches ist der Zielgruppe angepasst. Das zeigt sich besonders bei der Sprache der Kinder. Mats sagt unverblümt, was er denkt.

Die ersten sechs Tage werden ausführlich erzählt. Die Jungen finden sich schnell in das neue Leben hinein. Der 7jährige Mikkel bekommt Verantwortung übertragen und fühlt sich wichtig. Er begreift, dass jeder seinen Beitrag im Zusammenleben leisten muss. Auch Mats wird nicht bei jedem Schritt kontrolliert. Damit hat Martha allerdings ihre Probleme. Sie hat es bisher anders erlebt und kümmert sich um ihre Brüder.

Für Martha ist der Ferienbeginn auch aus anderen gründen ein Schock. Sie stellt fest, dass Oma weder WLAN noch ein Netz hat. Nur ein Fußmarsch über die Weide ermöglicht ihr die Benutzung des Handys. Dessen Datenvolumen ist allerdings begrenzt und bei Oma nicht aufladbar. Festnetz gibt es genauso wenig wie einen Fernseher oder eine Spülmaschine.

Und dann erscheint ein Fremder, der Oma viel Geld für Haus und Grundstück bietet. Sie macht ihm klar, dass sie nicht verkauft. Ablehnung ist er nicht gewohnt. Plötzlich scheint die Idylle in Gefahr.

Es ist beeindruckend zu lesen, wie die Ferien nach und nach für die Kinder zu einem besonderen Erlebnis werden, obwohl viele Dinge, die geschehen, vor Jahren noch alltäglich waren. Selbst Martha vergisst ihre Sehnsucht nach den sozialen Medien und sieht die Nachrichten ihre Freundinnen mit neuen Augen.

Ab und an werden die Unterschiede zu ihrem bisherigen Leben deutlich. Das betrifft insbesondere die Ernährungsgewohnheiten.

Schön gestaltete Gespräche geben der Geschichte eine eigene Lebendigkeit. An vielen Stellen durchzieht ein feiner Humor die Handlung. Der wechselt gekonnt mit ernsten Szenen.

Jedes Kapitel beginnt mit einem kleinen Bild, sei es ein Leuchtturm, eine Möwe oder drei Marmeladengläser.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Die Geschichte zeigt, was wichtig ist im Leben. Das Einbeziehen der Kinder in das ganz alltägliche Tun, die unaufgeregte Übertragung von Verantwortung und ein Grundvertrauen in ihr Verhalten sind wesentliche Inhalte.

Ein Zitat und gleichzeitig das Fazit soll am Ende meiner Rezension stehen:

„..Das ist manchmal so im Leben. Etwas Erschreckendes passiert, aber wenn man nach Jahren darauf zurückblickt, dann hat genau damit etwas Glückliches begonnen...“