Rezension

Ein Buch, das einen packt und nicht mehr loslässt

Als der Himmel uns gehörte
von Charlotte Roth

Bewertet mit 5 Sternen

Jenny hat ein Ziel - die Olympischen Spiele 2012 in London. Sie ist gut und doch machen ihr ihre Nerven gegen Ende des Laufens einen Strich durch die Rechnung. Ihr Trainer will sie nicht aufstellen, da bekommt sie die Möglichkeit, mit Gregory, einem Iren zu trainieren. Er sieht in ihr Potenzial. 

Und er verehrt ihre Urgroßmutter Alberta, die 1936 bei den Olympischen Spielen dabei war und für ihn ein Idol darstellt.

Gregory möchte, dass sie zu Alberta fährt, in der Hoffnung, dass die alte Dame ihr helfen kann, das Nervenproblem in den Griff zu bekommen.

Was Jenny aber von Alberta bekommt, ist so viel mehr, es ist ein Tripp in die Vergangenheit und in die Geschichte, das aber nicht nur in die ihrer Familie ...

Ich war sehr skeptisch, als man mir das Buch angeboten hatte, ob es etwas für mich sein würde. Mit Sport habe ich nichts am Hut, die Olympischen Spiele interessieren mich eher weniger und die Zeit der Nazis in Deutschland ist jetzt auch nicht das, was ich mir unter bevorzugter Literatur vorstelle.

Und doch, das Buch hat mich umgehauen. 

Der Autorin ist es gelungen, mich auf eine Reise mitzunehmen, von der ich nicht gedacht hätte, dass sie mir gefallen würde.

Die Olympischen Spiele, dafür gedacht, die Jugend der Welt miteinander zu vereinen, und das nicht nur auf der sportlichen Ebene. 

Jennifer ist Läuferin und hat das Ziel, bei den Olympischen Spielen in London antreten zu können. Ihre Panikattacken scheinen ihr einen Strich durch die Rechnung zu machen, so dass sie sich hilfesuchend an ihre Urgroßmutter Alberta wendet, die bereits 1936 für dieselben angetreten ist.

Der Leser erfährt in Abschnitten aus Albertas Leben, ihrer Zwillingsschwester Auguste, Hannes, einem Springreiter und ebenfalls Olympiaanwärter, wie auch von James, einem britischen Springreiter.

Die Geschichte dieser 4 Personen ist eng miteinander verknüpft und das nicht immer in aller Freundschaft.

Hannes und James sind Konkurrenten, beide wollen mit der Goldmedaille nach Hause gehen. Sie könnten jedoch unterschiedlicher nicht sein. James, als englischer Adliger, nimmt das Leben leicht und locker, wohingegen Hannes sich alles schwer erkämpfen muss und mehr auf der ernsten Seite des Lebens steht.

Das Buch dreht sich jedoch nicht nur um sportliche Belange, sondern erlaubt auch einen Blick in die Machenschaften der Nazis, die 1933 die Macht in Deutschland übernommen haben. Judenhass und Rassenhetze sind an der Tagesordnung. Die Spiele stehen kurz der Boykottierung der Länder, aber durch Alibiteilnehmer kann das verhindert werden.

Akribisch genau hat die Autorin recherchiert und lässt den Leser an einer Zeit teilhaben, die lange her ist, aber doch noch aktuell.

Es stellt sich die Frage, wie weit ist der Mensch / Sportler bereit, seine Ideale zu vertreten? Ist das gehen über Leichen vertretbar, wenn man sich Scheuklappen aufsetzt und nicht nach links und rechts guckt? Was hält das Gewissen aus?

Es ist ein fantastischer Roman, der mich in eine Welt entführte, die mir völlig fremd war. Ich habe jede Menge Hintergrundwissen erhalten, sei es über die Olympischen Spiele an sich, über die Paralympics und auch über die Machenschaften der Nazis. 

Obwohl ich alles, was Sport angeht, negiere, hat mich dieser Roman gefesselt. In ihm geht es nicht nur um Sport, es geht um Liebe, Freundschaft und auch Verrat. Eine Familiengeschichte, die in 2 Zeitebenen spielt.

Für mich war es das erste Buch der Autorin, aber mit Sicherheit nicht das letzte. 

Ich kann das Buch guten Gewissens weiterempfehlen, man muss dafür kein Fan von Sport sein. Ein Buch, das einen packt, fesselt und nicht mehr loslässt.