Rezension

Ein Dorf in Afghanistan

Das ferne Feuer -

Das ferne Feuer
von Amy Waldman

Bewertet mit 5 Sternen

Idealistische Anthropologin aus den USA muss sich der Realität im afghanischen Bergdorf stellen. Interessante Entwicklung der Geschichte.

Die Anthropologie-Studentin Parvin ist fasziniert von dem Bestseller „Mutter Afghanistan“ von Gideon Crane. Der amerikanische Arzt hat Afghanistan bereist und berichtet über seine Erlebnisse in einem kleinen Bergdorf. Dort ist die Todesrate bei schwangeren Frauen sehr hoch. Mit Hilfe von Spendengeldern kann er im Dorf eine Klinik für Frauen bauen. Parvin stammt selbst aus Afghanistan, ihre Eltern sind jedoch mit ihr im Alter von einem Jahr in die USA ausgewandert. Durch ihr Studium beschäftigt sie sich damit, wie Menschen in anderen Kulturen leben und wie sie mit medizinischen Problemen umgehen. Sie beschließt, Cranes Projekt vor Ort zu unterstützen. Die junge Frau steckt nach dem Tod ihrer Mutter auch in einer Selbstfindungsphase, daher scheint ihr diese Reise in die Heimat ihrer Eltern sehr reizvoll zu sein.  Aber es ist auch ein Land im Krieg. Sie reist in das abgelegene Bergdorf, um dort für einige Monate in der Familie wohnen, über die Crane in seinem Buch berichtet hat. Die Mutter Fereschta ist damals bei der Geburt ihres siebten Kindes verstorben. Dort trifft sie auf ihren Mann Wahid, der inzwischen neu verheiratet ist, sowie seine neun Kinder. Wir erfahren, wie Parvin sich im Dorf einlebt und wie sie versucht sich nützlich zu machen.

In den ersten Kapiteln sind auch einige Auszüge aus dem Crane-Buch abgedruckt. Hier erfährt man dann, dass die Inhalte des Buches doch sehr von der Realität vor Ort abweichen, und Parvin, die zuerst noch recht naiv und blauäugig erscheint, kommen die ersten Zweifel an Cranes Erzählungen.

Der Buchtitel zielt darauf ab, dass im Land Krieg herrscht. Die USA sind seit Jahren gegen die Taliban aktiv. Dies betrifft jedoch andere, entferntere Regionen des Landes. Die Leute im Dorf haben nur das Radio als Quelle für Nachrichten, die Berichte kommen „wie Asche von einem fernen Feuer“.

Das Dorf wird landschaftlich schön beschrieben, so abgelegen, es ist eine andere Welt dort, ohne Mobilfunk, ohne Autos, ohne Lärm. Aber es herrschen dort auch patriarchalische Strukturen, und die strenge Religion beherrscht das Leben. Also wie wird es Parvin dort im Dorf ergehen? Das Buch erzählt davon, auf welche Hürden humanitäre Hilfe vor Ort trifft. Und auch davon, welche Kehrseiten es gibt, wenn man missionarisch tätig wird. Was verändert ein Hilfsprojekt, was brauchen die Menschen vor Ort wirklich? Die Autorin macht deutlich, dass es keine wohlwollende Besatzung eines Landes durch fremde Nationen gibt, sondern dass es sich dabei um eine Form des modernen Imperialismus handelt.

Besonders gut fand ich, dass es viele verschiedene Perspektiven gibt, dass man die Beweggründe der Leute nachvollziehen kann. Es geht um Macht, um persönliche Vorteile, um Publicity, oder einfach ums Überleben. Es geht um Fragen der Loyalität, um Ideologien. Das alles ist sehr erleuchtend und das Buch wirft viele Fragen auf und regt zum Nachdenken an. Die Autorin hat das Buch sehr klug aufgebaut, und es gibt auch einige überraschende Ereignisse, die es auch spannend machen weiterzulesen.