Rezension

Ein Engel auf Erden - und dei Folgen

Die Liebe des Schicksalsschreibers -

Die Liebe des Schicksalsschreibers
von Gabriele Popma

Bewertet mit 5 Sternen

„...Er war so müde. Eine Empfindung, die er nicht kannte. Er würde viel lernen müssen in seiner Zeit auf Erden...“

 

Er ist ein Engel. Als Schicksalsschreiber ist er für das Schicksal von Menschen in Kriegsgebieten verantwortlich, wobei „verantwortlich“ nicht der richtige Ausdruck ist. Sein persönlicher Spielraum ist relativ gering. Deshalb bittet er darum, von der Aufgabe entbunden zu werden. Er möchte auf die Erde und das Leben dort kennenlernen. Gerade ist ein gewisser Jonas Kronberg in Augsburg bei einem Unfall verstorben. Der Schicksalsschreiber darf seinen Körper übernehmen.

Die Autorin hat einen etwas anderen Gegenwartsroman geschrieben. Eigentlich ist es weit mehr als ein Gegenwartsroman. Sie verknüpft nicht nur Vergangenheit und Gegenwart, sondern bringt in ihrer Geschichte Menschen an die Grenze ihres Glaubens. Es werden Fragen des Zusammenleben berührt.

Der Schriftstil lässt sich flott lesen. Er passt sich gekonnt den Erfordernissen an. Am Anfang zum Beispiel findet sich ein feiner Humor. Als Jonas im Krankenhaus aufwacht, tun ihm alle Knochen weh. Er registriert das so:

 

„...So hatte er sich sein Leben auf der Erde nicht vorgestellt...“

 

Er ist also erst einmal mit Reparaturarbeiten an seinem Körper beschäftigt. Hinzu kommt, dass er den Menschen seiner Umgebung erklären muss, dass er sein Gedächtnis verloren hat. Er kennt weder seine Ehefrau, noch seinen Bruder. Grundlegende Fähigkeiten wie Autofahren, das Benutzen einer Bankcard oder des Handys sind ihm zwar theoretisch bekannt, aber grau ist alle Theorie.

 

„...Er hatte sich die Erde ansehen wollen, stattdessen musste er sich um so profanen Dinge wie Geld kümmern...“

 

Sein Humor vergeht ihm schnell, als er begreift, was für ein Mensch Jonas Kronberg war. Als Chef eines Reisebüros geht es ihm zwar finanziell ausgezeichnet, aber das geschieht auf Kosten seiner Angestellten. Und dazu gehört sein Bruder Philipp. Der klärt ihn erst einmal über all das auf, was so in den letzten Jahren geschehen ist. Das sich mit dem Gedächtnisverlust allerdings auch Jonas` Charakter geändert hat, ist Philipp unheimlich.

Jonas nimmt sich eine Auszeit von seinem Job und will ein paar Tage Urlaub machen. Er landet in Augsburg. Noch ahnt er nicht, dass er vom Regen in die Traufe kommt. Wieder holt ihn seine Vergangenheit ein.

Eingebettet in das Geschehen ist ein Stück Zeitgeschichte. In Rückblenden geht es um die Kriegszeit in Augsburg, einschließlich der Bombardierung der Stadt. Was das alles mit Jonas zu tun hat, möge der Leser selbst herausfinden. Eines aber macht die Autorin mit berührenden Worten deutlich: Das Flächenbombardement hat viele Unschuldige getroffen, die sich gefragt haben, wie Menschen zu so etwas fähig sind.

Die Autorin hat die gesamte Palette des menschlichen Lebens in die Geschichte verpackt, sei es eine neue Liebe, Trauer und Tod. Jonas hat besondere Fähigkeiten. Die aber darf er nicht anwenden, weil er dann anderen Schicksalsschreibern ins Handwerk pfuschen würde. Doch das Leben auf der Erde spielt manchmal nach besonderen Regeln.

Eines leuchtete mir sofort ein. Als Jonas Philipps kleine Tochter kennenlernt, ist die von ihren Onkel begeistert. Philipp weiß nicht, was er davon halten soll. Bisher hat sich vor Jonas versteckt. Ein anderes Kind bringt es noch deutlicher auf den Punkt:

 

„...Bist du ein Engel?...“

 

Kleine Kinder haben noch einen unverstellten Blick auf die Welt. Im Buch werden ganz unterschiedliche Lebensgeschichten erzählt. Manch fast philosophischer Satz bringt mich als Leser zum Nachdenken:

 

„...Leben bedeutet Konflikte. Konflikte, an denen man wachsen oder zerbrechen kann...“

 

Es gibt sehr berührende Momente. Und immer schwingt eine Prise Hoffnung mit, auch wenn es fast nichts mehr zu hoffen gibt.

Im Laufe der Handlung wird auch erklärt, wie und warum Jonas zum Schicksalsschreiber wurde. Es ist trotz aller Fantasy durchaus nachvollziehbar.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Mag sein, dass das Geschehen ins Reich der Fantasy gehört. Doch es hält uns einen Spiegel vor Augen: Wie wollen wir leben?