Rezension

Ein gruseliger Blaubeertod in Blackpool

Seacrest House
von Lilach Mer

Wir schreiben das Jahr 1955 in Blackpool, der Stadt mit den Lichtern, die meilenweit zu sehen sind - was aber nicht bedeutet, dass in den dunklen Ecken und Gassen nicht auch unheimliche Gestalten rastlos umherwandern. Joss ist ein Heimkehrer aus dem Krieg und völlig mittellos. Als er eines Nachts um Mitternacht an der Haltestelle gegenüber eine verschwommene Gestalt in altmodischer Kleidung sieht, glaubt er schon an eine Sinnestäuschung, doch wie durch ein Wunder findet er am nächsten Tag eine Anstellung als Handwerker in dem von allen gemiedenen „Seacrest House“ und die merkwürdigen Begebenheiten verdichten sich – immer dabei, wie ein stiller Begleiter, ist die Katze der Eigentümerin.

Da mein letzter Deutschunterricht schon eine Weile her ist, habe ich vor dem Lesen erst einmal mein Wissen über die Gattung der Novellen aufgefrischt und mich darauf eingestellt, dass Lilach Mer uns mit einem schwierigen, unaufgeregten Schreibstil in Prosaform durch die Kurzepik führen wird, der unsere gesamte Aufmerksamkeit einfordert. Allen Befürchtungen zum trotz war genau das Gegenteil der Fall und ich bin in knapp zwei Stunden durch die Seiten gefegt.

Inhaltlich wurde die Geschichte sehr geradlinig erzählt und hat auch sonst alle Kriterien der Erzählform prima erfüllt. Allerdings - oder gerade deswegen - war die Handlung zu einem großen Prozentsatz vorhersehbar, was aber für den Gesamteindruck der Novelle nicht schlimm war. Um ein Beispiel zu geben, kann ich das „seltsam, unerhörte Ereignis“, wie Goethe es geprägt hat, nennen. Es spielt sich hier auf dem Dachboden ab und sorgte für ein warmes Gruselgefühl, wenngleich es an dieser Stelle keine Überraschung gab und dennoch dauerhaft im Gedächtnis manifestiert blieb.

Der Schluss wurde für meinen Geschmack zu stark in den Rahmen eines Happy Ends gepresst und ließ mich nicht ganz glücklich mit den Charakteren in der Situation zurück. Für eine rundum gelungene Gruselnovelle hätte da mehr Mut zum Schocken gehört, doch auch Geister wollen glücklich sein und deshalb gönnen wir dem „Seacrest House“ seinen Frieden.

Dies war die dritte Novelle einer ganzen Reihe aus dem Ulrich Burger Verlag (UBV) in der noch sieben weitere, von unterschiedlichen Schriftstellern, folgen sollen.