Rezension

Ein hartes Leben

Wo Gritlis Kinder hingekommen sind -

Wo Gritlis Kinder hingekommen sind
von Johanna Spyri

Bewertet mit 4 Sternen

Elsli und Fani haben es nicht einfach. Nach dem Tod ihrer Mutter Gritli stehen sie unter der Herrschaft ihre Stiefmutter, während ihr Vater versucht die jetzt auf 5 Kinder angewachsene Familie irgendwie durchzubringen. Fani, eigentlich Stephan, ist ein hochbegabter Maler, doch seine Zukunft wird in der einzigen Fabrik der Gegend liegen, deren Erbe, der arrogante Feklitus, schon jetzt seine Mitschüler und zukünftigen Untergebenen terrorisiert. Elsli hat die zarte Gesundheit ihrer Mutter geerbt und verausgabt sich bei der Aufsicht ihrer drei neuen Brüder, sodass die Frau des Arztes sich ernsthafte Sorgen um das viel zu schwache Ding. Da zieht die wohlhabende Witwe Stanhope zu ihnen ins Bergdorf, um Heilung für ihre kranke Tochter zu finden. Elsli soll dem Mädchen Gesellschaft leisten und sich so von der Beanspruchung durch ihre Stiefmutter erholen.

Ein schmaler erster Band, der die Geschichte von Gritlis Kindern erzählt. Johanna Spyri ist in ihren Geschichten sowohl einfühlsam und fesselnd als auch schonungslos in der Darstellung des harten Alltags in einem Bergdorf, der Armut und den Menschen, die aus unterschiedlichsten Gründen dabei auf der Strecke bleiben.

Auch wenn der Titel des Buches Gritlis Kinder lautet steht hier doch der Haushalt des Arztes mit vier munteren, zu jedem Streich aufgelegten Kindern, eher im Zentrum. Diese vier sind mit Gritlis Kindern vor allem durch die enge Freundschaft von Emmi und Fani verbunden.

Auf wenigen Seiten, mit traumhaften Illustrationen, wird hier eine Menge erzählt. Die Geschichte berührt den Leser auf vielen Ebenen. Interessant ist dabei sowohl der Blick auf einen uns so fremden harten Bergalltag als auch, dass hier zwar Stereotypen angesprochen werden, wie die böse Steifmutter, diese aber durchaus demontiert werden, indem gezeigt wird, wie wichtig ein zusätzliches Einkommen für das nackte Überleben, und so Fanis düstere festgelegte Zukunft, gar nicht einem stiefmütterlichen Desinteresse angelastet werden kann. Als lichter Gegensatz steht dann das Doktorhaus mit einer Mutter, die ausreichend Zeit und Mittel hat, sich um ihre Kinder zu kümmern und ihre individuellen Interessen zu fördern. Zusätzlich steht eine Tante als Unterstützung in Haushalt und Erziehungsalltag zur Verfügung, die für die Kinder eine wichtige Vertrauensstellung einnimmt.

Johanna Spyri versteht es wie kaum ein anderer wunderschöne und sehr berührende Geschichten zu erzählen. Kinderstreiche und harte Realität werden gekonnt miteinander verbunden und hinterlassen einen tiefen Eindruck.