Rezension

Ein intensives Frauenportait

Nora Webster - Colm Tóibín

Nora Webster
von Colm Toibin

Beim Stöbern auf der Frankfurter Buchmesse, entdeckte ich "Nora Webster" von Colm Toibin und war bereits nach den ersten Seiten Feuer und Flamme. Umso mehr freute ich mich darüber, als ich wenige Wochen später mein eigenes Exemplar in der Hand hielt und die gesamte Geschichte lesen konnte.

"Nora Webster" handelt von einer verwitweten Frau und ihrem Weg zurück ins Leben. Das Leben einer alleinerziehenden Mutter ist nie leicht, schon gar nicht im Irland der 60er Jahre. Noras Trauer um ihren Mann Maurice spielt in diesem Buch eine allgegenwärtige Rolle, wobei diese vom Autor nicht ausgesprochen werden muss. Colm Toibin beschreibt meisterhaft, wie Trauer den Menschen verändert und welch langer und schwerer es für die Hinterbliebenen ist, wieder mit dem Leben fertig zu werden.

Die Beschreibung der Protagonistin ist unglaublich detailliert. Sie ist hart und unsicher zugleich. Sie ist stur und sie sagt und tut Dinge, die auf den ersten Blick nicht immer sympathisch sind. So ist sie beispielsweise nicht gerade dankbar für die Hilfe, die ihr zuteilwird. Sie empfindet diese als lästig, nimmt sie aber meist dennoch an. Oft auch deshalb, weil ihr gar nichts anderes übrig bleibt. Dank des Mitgefühls ihrer ehemaligen Arbeitgeber, erhält sie ihren alten Bürojob zurück, den sie jedoch früher schon nicht ausstehen konnte. Die Arbeitgeber kommen ihr nach kurzer Zeit sogar nochmals entgegen und zahlen ihr dasselbe Gehalt trotz Stundenreduzierung. Dennoch tritt Nora der Gewerkschaft bei, wohl einfach, weil sie dazu eingeladen wurde und kränkt ihre Arbeitgeber damit sehr. Es fällt ihr schwer Entscheidungen zu ihrer Gunsten zu treffen, wie sich bspw. einen Plattenspieler zu kaufen. Des Weiteren wird ihr Verhältnis zu ihren Kindern genauer betrachtet. Ihre beiden Töchter Aine und Fiona sind bereits aus dem Haus, während die beiden Jungs, Donal und Conor, noch Kinder sind und bei ihr leben. Noras Liebe zu ihren Kindern ist authentisch und für den Leser spürbar und doch hat sie Probleme, ebendiese Gefühle zu zeigen. Sie leidet darunter, wenn auch ohne dass dies genauer beschrieben wird, dass die Kinder ihrer Schwester mehr erzählen als ihr, sucht im gleichen Moment aber nach einer Begründung, warum dies wohl so ist. In diesen Momenten war für mich Noras Einsamkeit und Trauer am stärksten spürbar. Auch den Unterschied der Beziehung von Müttern zu ihren Söhnen bzw. Töchtern beschreibt Toibin gekonnt.

Toibins Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Er ist intensiv und eindringlich. Es gab immer wieder Szenen, welche mich nicht zuletzt durch Sprache und Wortwahl berührten und ich bin begeistert von seiner Fähigkeit unterschiedliche Stimmungen und Atmosphären zu schaffen. Das Buch ist in einem sehr ruhigen Ton geschrieben und schaffte es, mich auch ohne unerwartete Wendungen an die Seiten zu fesseln.

Den Charakter Nora Webster habe ich bereits beschrieben und für seinen Tiefgang gelobt, doch auch die Nebencharaktere in diesem Werk dürfen nicht unerwähnt bleiben. Egal ob die Schwestern, die Kinder, die Arbeitgeber oder die Kollegin...all diesen Charaktere konnte der Autor ausreichend Leben einhauchen, dass auch diese authentisch wirkten.

Fazit: Dank Nora Webster kann ich es kaum erwarten weitere Bücher dieses großartigen Autors zu lesen. Ein Buch, das noch lange in mir nachhallen wird und das ich mit großer Sicherheit noch einmal lesen werde.