Rezension

Ein Krimi, wie er sein muss

Schattenboxer - Horst Eckert

Schattenboxer
von Horst Eckert

Bewertet mit 5 Sternen

»Linker Hand näherten sich die frischen Reihengräber für die Sargbestattung. Das jüngste von ihnen war noch ohne Grabstein oder Kreuz. Eine Gymnasiastin lag seit gestern dort, sie hatte sich umgebracht, wie er gehört hatte. … Wie immer hatten die Kollegen sämtliche Kränze und Blumengebinde auf der zugeschütteten Grube angerichtet, in diesem Fall ein wahrer Blütenberg. … Etwas schimmerte dort obenauf. Torsten stoppte das Bokimobil und stieg aus, um sich die Sache anzusehen. Hatte sich jemand einen bösen Scherz erlaubt? Nach wenigen Schritten wurden ihm die Knie weich. Seine Eingeweide verkrampften sich. Er hielt die Luft an. Nein. Bitte nicht. Mit zitternden Fingern rief Torsten die Chefin auf dem Handy an. „Herr Heise?“, kam ihre Stimme aus dem Apparat – offenbar hatte sie seine Nummer auf ihrem Display richtig gedeutet. Die Worte verweigerten sich ihm. Er kämpfte mit dem Brechreiz. „Was gibt’s, Herr Heise?“ „Das ist keine Puppe“, antwortete er. „Was meinen Sie?“ Torsten krümmte sich, würgte und hustete ausgiebig. Der Magensaft brannte sauer im Rachen. Er wischte sich mit dem Ärmel der Arbeitsjacke über den Mund und nahm das Handy wieder ans Ohr. „Hallo, sind Sie noch dran?“ „Herr Heise, was ist los?“ Hastig beschrieb Torsten, was vor ihm in den Blumen lag.«

Ein toter Mensch kann einen Friedhofsangestellten normalerweise nicht aus der Ruhe bringen. Doch der Körper der jungen Frau, der auf dem frischen Grab einer anderen jungen Frau abgelegt wurde, ist über und über mit Wunden übersät. Ganz eindeutig wurde sie vor ihrer Ermordung grausam gefoltert.

 

Vincent Veih, der Leiter des Düsseldorfer KK11, weiß schon bald nicht, wo ihm der Kopf steht. Am Vortag noch war er dabei, als Stefan Ziegler, einer seiner Kollegen, seine 17jährige Nichte Pia zu Grabe tragen musste und nun liegt auf dem frischen Grab der Körper eines anderen – ermordeten – Mädchens. Die beiden hatten scheinbar nichts miteinander zu tun – oder vielleicht doch?

Zeitgleich gerät Vincents Behörde unter Beschuss: Bei den Ermittlungen gegen einen jungen Farbigen soll unsauber gearbeitet worden sein. Wurde ihm tatsächlich ein Mord in die Schuhe geschoben? Vincent, der an diesen Ermittlungen nicht beteiligt war, muss nun die Aktivitäten seiner eigenen Kollegen hinterfragen.

 

Und auch privat ist einiges los. Seine Freundin Saskia – eine Journalistin - möchte nicht nur mit ihm zusammenziehen, sondern sie arbeitet zudem an einem Buchprojekt, bei dem sie den 1991 erfolgten Mord an dem Präsidenten der Treuhandanstalt wieder aufrollen möchte. Der Todesschütze konnte nie ermittelt werden, aber Saskia sieht nun neue Ansatzpunkte und vielleicht kann ja auch Vincent mithelfen und einen Kontakt zu seiner Mutter vermitteln…?

 

Wer „Schwarzlicht“, den ersten Fall für Vincent Veih gelesen hat, der ahnt schon, wie das Treffen zwischen Vincent und seiner Mutter Brigitte ablaufen wird. Brigitte war aktives Mitglied der RAF, ist nun nach Verbüßung ihrer Haftstrafe auf freiem Fuß und alles andere als glücklich darüber, dass ihr Sohn „ausgerechnet“ Polizist geworden ist. Das Verhältnis der beiden kann man vorsichtig formuliert als angespannt bezeichnen. Trotzdem stellt Vincent den Kontakt zwischen Saskia und seiner Mutter her, allerdings hat er zu diesem Zeitpunkt noch keine Vorstellung davon, was das Wühlen in der Vergangenheit in der Gegenwart für Auswirkungen haben kann. (Anmerkung noch an dieser Stelle: Wer „Schwarzlicht“ nicht gelesen hat, muss keine Verständnisprobleme befürchten.)

 

Das war mal wieder ein großartiger Krimi! Vincent ist mir als Charakter sehr sympathisch, zudem finde ich seinen persönlichen Hintergrund faszinierend. Er ist ein Mann, der als Junge von seinem Nazi-Großvater aufgezogen wurde, weil sich seine linksextreme Mutter zwischen ihren Terrorakten nicht um ihn kümmern konnte oder wollte. Der erwachsene Vincent ist nicht immer einfach im Umgang, aber ein guter Polizist ist er auf jeden Fall. Daher konnte ich miterleben, wie er sich Stückchen für Stückchen die anstehenden Probleme vornimmt.

 

Der Schreibstil gefiel mir sehr und lud mich ein, durch das Buch zu fliegen ;-) Dabei war es trotz der teilweise komplexen Zusammenhänge nicht schwierig, diese nachzuvollziehen.

Im Verlauf der Handlung gibt es immer wieder Rückblenden, bei denen der Leser ebenfalls stückchenweise Informationen erhält. So kann man wunderbar mitraten und versuchen, irgendwelche Zusammenhänge zwischen den einzelnen Vorfällen herzustellen. Eins kann ich verraten: Es wird richtig spannend!

 

Fazit: Spannend, verstrickt, überraschend. Ein Krimi, wie er sein muss.