Rezension

Ein Kriminal-Roman mit Schwerpunkt auf ethischen Fragen

Der Verdacht - Friedrich Dürrenmatt

Der Verdacht
von Friedrich Dürrenmatt

Bewertet mit 4 Sternen

Dürrenmatts Thema: Wer darf richten? Wie ist das mit Gut und Böse? Schuld und Sühne? Schwierig zu lesender Kriminal-Roman

Warum dieses Buch?

Dürrenmatt muss man mal gelesen, es zumindest probiert haben. Es ist der zweite Band mit dem eigenwilligen Kommissar Bärlach, der erste: Der Richter und sein Henker.

Worum geht es?

Durch Zufall entdeckt der todkranke Kommissär Bärlach - nach einer Magen-OP und kurz vor der Pensionierung - ein Foto im Magazin 'Life' und ebenso durch Zufall meint sein Arzt Hungertobel, jemanden erkannt zu haben. Es handelt sich um den Arzt im Vernichtungslager Stutthof bei Danzig, ein Arzt, der schwere Operationen ohne Narkose durchführte. Ein Verdacht nistet sich ein: dieser Arzt mit Namen Nehle könnte der jetzige Leiter einer Klinik für reiche Patienten in Zürich sein, zumal er mit Spitznamen 'Erbonkel' genannt wird, einer, der reiche verstorbene Patienten beerbt.

'Nichts macht einen so schlecht wie ein Verdacht...' (127)

Ein Verdacht kann 'etwas Vergiftendes an sich' haben, aber bei Kommissar Bärlach hat man eher den Eindruck, dass es ihn ins Leben zurückholt, dass es seinem Leben einen Sinn gibt. Er recherchiert, er telefoniert, er führt Gespräche, alles am und vom Krankenbett aus und allmählich kristallisieren sich mögliche Theorien heraus. Um sie zu überprüfen, lässt sich Bärlach in die Klinik des verdächtigten Arztes Emmensberger verlegen. Es scheint, dass er einen Plan hat, um die Wahrheit herauszufinden. Wird er das vom Krankenbett aus schaffen? Wird er jemanden finden, der ihm hilft? Ist Emmenberger der frühere KZ-Arzt Nehle? Kann es gefährlich für ihn werden? Diese Fragen werden in einem furiosen Ende beantwortet, an dem ich jedoch einiges auszusetzen habe.

Meine Meinung

Das Buch wird als Kriminal-Roman bezeichnet, wobei ich den Schwerpunkt auf Roman sehe. Das Recherchieren und Kombinieren in Teil 1 hat mir so gut gefallen, dass ich an 5 Sterne dachte.

Dann aber der zweite Teil. Zwar gab es auch im ersten viele kritische Anmerkungen, viele Gedankenanstöße, z.B. zu kritischer Vaterlandsliebe, zur Verantwortung von Wissenschaftlern, aber im zweiten Teil wird der Leser in Monologen einzelner Personen zu moralisch-ethischen Fragen, zur grundsätzlichen Frage des Menschseins und von Gut und Böse überhaupt derartig überschwemmt, dass einem der Kopf schwirrt. Es ist in diesen Abschnitten kein Roman mehr, sondern eher eine moraltheoretische philosophische Abhandlung und vor allem: ich empfand es als zu viel. Da führt möglicherweise nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Lesern dazu, dass man gedanklich einfach 'zumacht' und dass ein Stern verblasst: 4 Sterne.

Fazit: ein schwierig zu lesender Roman mit vielen Gedankenanregungen in knapper, aber sehr aussagekräftigr Sprache