Rezension

Ein Leben inmitten von Eis

Das Lied der Arktis -

Das Lied der Arktis
von Bérengère Cournut

Bewertet mit 4 Sternen

Das Eis bricht, es verschwindet in der Schwärze des eisigen Wassers und mit ihm Uqsuraliks Familie. Nur sie war durch Zufall auf sicherem Boden und muss sich fortan alleine durchschlagen, sie hat nichts mehr außer ihrer Hündin, ein Bärenfell und einen notdürftig zusammengebastelten Speer.

Bérengère Cournut schildert den Weg von Uqsuraliks Leben in der Arktis sehr ergreifend. Das Leben der Inuit ist immer abhängig von der rauhen Natur um sie herum, sie versuchen im Einklang mit ihr zu leben, sind jedoch auch darauf angewiesen, dass die Natur sie ernährt und durch die rauhen und eiskalten Winter bringt. Die Mythen und Traditionen der Inuit, ihr Leben in kleinen und großen Gruppen, die sich finden und wieder trennen beschreibt Cournut dabei sehr respektvoll und einfühlsam. Geburt und Sterben sind eng miteinander verbunden, sie sind ein Weg für die Menschen, ihre Vorfahren wieder zu erleben. Viele der Bräuche muten aus heutiger Sicht seltsam und abergläubisch an, doch für die Menschen in der Arktis sind sie die Basis des Lebens und menschlichen Miteinanders. Dieser Unterschied wird v.a. auch am Ende des Buches nochmal aufgegriffen, was ich sehr gut fand.

Die Beschaffenheit der Natur der Tiere und alles was die Menschen umgibt hat Cournut wirklich sehr gut dargestellt. Ihre Naturbeschreibungen haben mir gut gefallen, sie schafft es, die harten Bedingungen, die große weiße Weite vor meinen Augen auferstehen zu lassen. Ich muss jedoch gestehen, dass ihr das bei den menschlichen Figuren nicht ganz so gut gelungen ist. V.a. als Uqsuralik auf die anderen Clans/Gruppen trifft, verliert vieles für mich an Tiefe. Die zwischenmenschlichen Beziehungen konnte ich nicht richtig greifen.

 

Der Titel "Das Lied der Arktis" passt perfekt zu diesem Buch. Immer wieder enden die Kapitel mit Liedern und Gedichten. Nicht immer sind es Lieder von Menschen, es gibt auch Lieder der Natur oder Lieder des Menschen. Oft verbirgt sich in diesen Liedern eine Wahrheit, die nicht ausgesprochen werden kann, oder Träume und Visionen. Sprachlich haben sie für mich leider zu den schwächeren Stellen im Buch gehört, dennoch passen sie gut zur Geschichte und vervollständigen sie.

"Das Lied der Arktis" schildert das raue Leben der Inuit auf sehr authentische und einfühlsame Weise und ist, von kleineren Kritikpunkten abgesehen, ein sehr schönes Buch, das sich gut lesen lässt. Es ist zwar keine spannende Abenteuergeschichte sondern vielmehr ein stiller Blick auf ein Leben voller Emotionen, Liebe und Gemeinschaft mit der Natur. Wer bereit ist sich auf so etwas einzulassen, der wird nicht enttäuscht sein von diesem Buch. Was ich ebenfalls noch hervorheben möchte, sind die ergänzenden Fotografien am Ende des Buches, die einen perfekten Abschluss geben und so die Figuren im Buch scheinbar nochmal von den Seiten aufstehen lassen.