Rezension

Reise in eine andere Lebenswelt

Das Lied der Arktis -

Das Lied der Arktis
von Bérengère Cournut

Bewertet mit 3 Sternen

Nur kurz hat Uqsuralik die Wärme des Zelts verlassen um sich zu erleichtern, als plötzlich das Packeis bricht und eisiges, dunkles Wasser sie von ihrer Familie trennt. Das junge Inuitmädchen weiß was zu tun ist: Um zu überleben muss sie das Festland erreichen. Ob sie ihre Eltern und Geschwister jemals wiedersieht ist ungewiss.

In recht nüchternem Erzählton entführt Cournut den Leser in eine andere Welt. Eine Welt voller Schnee und Eis, voller Geister und Rituale, in der Üppigkeit und Entbehrung sich abwechseln.

Wer etwas über die Lebensweise der Inuit erfahren möchte, der ist mit diesem Roman sehr gut beraten. Man lernt beispielsweise etwas über Sitten und Traditionen, Familienstrukturen und Wohnhäuser, Kleidung und Werkzeuge, Jagdmethoden und das Glaubenssystem. Für mich gab es viel Neues und die Selbstverständlichkeit mit der Cournut für mich als Europäer absurd bis abschreckend wirkende Essgewohnheiten und spirituelle Erlebnisse schildert hat mir gefallen. Wenn Uqsuralik bei Beeren mit Robbenblut oder bei mit Federn und Kochen fermentiertem Vogel das Wasser im Mund zusammenläuft, dann kann es wohl nicht so gruselig sein, wie ich es mir vorstelle.

Der Nachteil dieses Buches ist allerdings, dass ich insgesamt nicht sehr involviert in Uqsuraliks Leben war, obwohl der Roman sie durch durchaus schwere Zeiten begleitet. Da viel Wissen vermittelt wird, hatte ich eher das Gefühl, einer Stellvertreterin zu folgen. Der wie schon erwähnt nüchterne Erzählton tut sein übriges um dem Leser gefühlsmäßig auf Abstand zu halten.

Was mir gar nicht gefallen hat, - auch wenn es vielleicht besonders authentisch war - waren die Gesänge, die im Roman immer wieder vorkommen. Die meisten konnte man einfach überlesen, weil sie inhaltlich keinen Mehrwert brachten. Nur wenige waren auch für die Geschichte wichtig. Soweit mich meine marginalen Französischkenntnisse bringen, konnte ich zumindest feststellen, dass sich im Original Teile der Gesänge reimen oder eine Versstruktur aufweisen. Beides ist in der Übersetzung komplett untergegangen und wirkt so äußerst plump und gewollt. Schade, denn der Rest des Romans liest sich leicht und schnell weg.

Wer eine Reise in eine komplett andere Lebenswelt wagen möchte, der ist mit diesem Roman bestens bedient! Mal spirituell, mal brutal und mit viel Wissen entführt „Das Lied der Arktis“ in ein Leben in Tundra und Packeis. Wer Figuren und eine Story zum mitfiebern braucht, sollte aber eher die Finger davon lassen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 28. Juli 2022 um 13:30

Das hört sich eigentlich gar nicht schlecht an ... !

katzenminze kommentierte am 28. Juli 2022 um 14:32

Es ist auch eigentlich gar nicht schlecht. Falls du es lesen willst: Es werden viiiiieleee Tiere gegessen.

wandagreen kommentierte am 28. Juli 2022 um 18:27

Es gibt so wenig Gemüse in der Arktis.