Rezension

Ein letzter Fall für Gideon Green

Gideon Green - Das Leben ist nicht schwarz-weiß -

Gideon Green - Das Leben ist nicht schwarz-weiß
von Katie Henry

Bewertet mit 3.5 Sternen

Szene Innen, heruntergekommener Bürokomplex, schummriger Flur, Deckenlampe mit flackernder Glühbirne, am Ende des Ganges eine Tür mit Milchglasfenster im oberen Drittel, auf ihr der Schriftzug Detektei. – Wer kann sagen, wie es weitergeht? Klar, die Tür geht auf, an einem Schreibtisch sitzt ein Mann, gut gekleidet, hinter ihm ein Fenster mit halb geschlossenen Lamellenjalousien, vor ihm steht eine ebenso gut gekleidete, hübsche Frau mit rotem Lippenstift und Fönwelle, eine Zigarette elegant in der Hand haltend, mit tiefem Augenaufschlag sieht sie den Mann an und sagt: „Sind Sie der Detektiv? Ich brauche ihre Hilfe.“

Wenn ich Film Noir höre, dann sehe ich genau diese Szene vor meinem inneren Auge. Der Anfang einer jeden guten Story. Dabei kenne ich wahrscheinlich vor allem die Parodien und Adaptionen. Ich bin dann doch weniger in der klassischen Zeit des Film Noirs unterwegs. Aber Gideon ist ein echter Fan und kennt wahrscheinlich alle Filme in und auswendig. Kein Wunder, dass sein Berufswunsch ebenfalls Detektiv ist und er bereits als Kind eigene Fälle gelöst hat. Weil im Film Noir aber selten ein echtes Happy End eintritt, musste sich auch Gideon zur Ruhe setzen und versucht nun einfach nur noch die High School bis zu seinem Abschluss zu überstehen. Dann steht eines Nachmittags Lily vor seiner Tür und bittet ihn um Hilfe. Sie ist für die Schülerzeitung einer großen Sache auf der Spur und braucht die Spürnase ihres ehemals besten Freundes. Wird Gideon seinen Detektivhut wieder vom Nagel nehmen und Lily helfen?

Einen etwas anderen Coming of Age Roman präsentiert uns Katie Henry hier mit ihrem jugendlichen Helden Gideon Green. Ein in sich gekehrter, einsamer Junge, der ganz für den Film Noir lebt und sich versucht in der Schule aus allem herauszuhalten. Seine Mutter ist gestorben, als Gideon gerade 6 Jahre alt war. Der Vater betreibt ein Restaurant und ist vor allem am Abend kaum zu Hause. Die Leidenschaft seines Sohnes sieht er mit Sorge, er würde ihn gern aus der Einsamkeit herausholen, doch hat er selbst den Tod seiner Frau kaum verwunden. Als Gideon beginnt, sich für die Schülerzeitung zu interessieren und die alte Freundschaft zu Lily wieder aufflammt, ist der Vater beruhigt, bis die Ereignisse sich plötzlich überschlagen.

Gideon ist mir sympathisch. Wahrscheinlich weil Katie Henry Gideon aus der Ich-Perspektive selbst erzählen lässt und ich mich ihm so näher fühle. Obwohl er auch recht nervig sein kann. Ihm fehlt ein wenig Feingefühl im Umgang mit seinen Mitmenschen. Immer direkt heraus mit der Wahrheit, das vertragen die Mitschüler nicht so gut. Aber Gideon lernt im Verlauf der Geschichte dazu. Nicht alle Probleme lassen sich lösen, aber auf der Beziehungsebene zu Lily und seinem Vater und der Chefredakteurin der Schülerzeitung macht Gideon große Fortschritte. Mir gefällt besonders das Zwischenmenschliche in diesem Roman. Die Interaktion der Charaktere miteinander. Ein unterhaltsamer, leicht schräger Jugendroman mit der richtigen Dosis Tiefgang.