Rezension

Ein Männerbuch

Hartmut und ich - Oliver Uschmann

Hartmut und ich
von Oliver Uschmann

Bewertet mit 1.5 Sternen

Empfehlung für männliche Wesen, die in den 2000ern in ihren 20igern waren

'Hartmut und ich' wurde mir von einer männlichen Person empfohlen, indirekt. Von dem Inhaber einer Buchhandlung unserer Stadt, der in der Regionalzeitung Rezensionen veröffentlicht. Er war schlichtweg begeistert, also erstand ich das Buch. Auch auf dem rückseitigen Einband kommen männliche Stimmen zu Wort, die von 'verwegener Sprachsicherheit', 'saugut' und 'Alltags-Skurilitäten' sprechen. Das Uschmann, Jahrgang 1977, das Buch bereits 2005 veröffentlicht hatte, merkte ich erst, als ich es in der Hand hielt. Das muss ja auch nicht Schlechtes bedeuten.

Wie man ein Buch findet, hängt von verschiedenen Faktoren ab, von dem Buch an sich, aber auch von Erwartungen, die natürlich auch durch Lobeshymnen entstehen, nichts zuletzt auch von der eigenen Tagesverfassung. Man ist nicht jeden Tag gleich albern oder verfügt über dasselbe Humorlevel. Man erlebt, dass man sich an einem Tag über Sachen schlapp lacht, die man am nächsten Tag einfach nur albern und banal findet, platt.

Es geht um eine Männer-WG. Die Bewohner sind Hartmut, der Philosophie studiert, und 'ich', der Päckchen austrägt und ständig in der Badewanne liegt. Kapitelweise hat der Leser Anteil an dieser WG, angefangen beim Einzug, bei dem man gleich Bomben aus dem 2. Weltkrieg im Keller findet.

Mit der ersten Hälfte habe ich mich schwer getan, siehe oben, und hatte das Gefühl ,es sei ein 'Männerbuch'. Es geht um Masturbation, 'Riesenständer', das ewige Daddeln mit der Spielkonsole, Hartmuts Fernsehsucht, Fußball und Trashsendungen: 'Echter Männerschweiß, Musik mit Eiern' (218). Irgendein Partygast legt die längste 'Knackwurst der Welt' ins Klo. Selbst gemacht,versteht sich. Damit keine Missverständnisse entstehen: Ich bin unter Brüdern aufgewachsen, arbeite lieber mit Männern als mit Frauen und bin beileibe nicht etepetete.

Ab Seite 115 ging es dann besser. Hatte ich meine Einstellung zwischenzeitlich korrigiert? Uschmann kann jedenfalls nette Metaphern '(…) er weiß innerhalb dieser Welten wirklich jedes Argument wie eine Münze zu drehen und zu wenden '(75) oder '(…) während die drei Jungs und Mädels ganz langsam einander näher kommen wie sich zur Sonne neigende Blüten'(219). Hartmuts Geschäftsideen gefallen mir, z.B. Menschen per Email zu beraten und auch wie 'ich' ihm unter die Arme greift, finde ich rührend.

Ich würde das Buch männlichen Wesen empfehlen, die in den 2000 in ihren 20igern waren, also der Pre-Babyboomer-Generation, denn Uschmann war 28jährig, als er das Buch schrieb. Heutige Twens könnten damit weniger anfangen, dafür ist viel zu viel Zeitkolorit enthalten, z.B. '(…) als er sich im Kabel seines Discmans verheddert' (226). Summa summarum kann das Buch eine unterhaltende Abwechslung sein, die man in einem Rutsch durchliest und ich will durchaus auch eine philosophische Botschaft senden 'Wir haben doch alle die Wahl, oder?' (214), sie also auch, lieber Leser.

 

 

 

Susi 20/08/22 – veröffentlicht bei amazon und www.wasliestdu.de