Rezension

Ein Mann in einer Frauen-WG

Unter Frauen - Alexander Broicher

Unter Frauen
von Alexander Broicher

Bewertet mit 4.5 Sternen

Till, Ende zwanzig, ohne Job und Freundin, erschwindelt sich durch die Notlüge, schwul zu sein, ein WG-Zimmer in der Frauen-WG der matriarchalischen Marion, der kleptomanischen Isabell und der eher sanften Tessa. Missverständnisse, Schlagabtäusche, Verzweiflungstaten sind fortan an der Tagesordnung des chaotischen WG-Lebens.

Die Geschichte ist sehr witzig geschrieben. Die Charaktere der vier Protagonisten sind völlig unterschiedlich. Der Ich-Erzähler Till, dessen Leben so sehr aus den Fugen geraten ist, erweckt geradezu Mitleid. In seinem Bemühen, nicht aufzufliegen, verleugnet er seine Heterosexualität und erträgt stoisch so manche Erniedrigung und Schikane seiner Mitbewohnerinnen. Sind wir Frauen wirklich so biestig? In schönem Kontrast hierzu zeigt sich Till in seinen zwei ungeliebten Jobs gar nicht unterwürfig und geriert sich durch seine Ausbrüche ganz „als Mann“.

175 Seiten bereiten Lesevergnügen pur, unterteilt in Prolog und 19 Kapitel. Der formale Aufbau ist ungewöhnlich, aber gelungen: Der Prolog ist in der Gegenwart angelegt und stellt materiell den absoluten Tiefpunkt in Tills Leben dar. Er blendet auf das in den Kap. 1 - 17 geschilderte Leben Tills in wenigen unmittelbar davor liegenden Wochen zurück. Die letzten beiden Kapitel führen wieder in die Gegenwart. In ihnen klären sich alle Missverständnisse, und es kommt zum Happy End.

Das Buch ist geschrieben von einem Mann für Frauen, ist also ein Frauenroman. Es gehört aber überhaupt nicht zu der Art anspruchsloser Frauenliteratur, die in jüngerer Zeit als sog. Chick-Lits bekannt geworden sind und derer es schon so viele gibt.

Ich habe die Lektüre sehr genossen.