Rezension

Ein moderner "Taugenichts".

Die Entzifferung der Schmetterlinge - Stefan aus dem Siepen

Die Entzifferung der Schmetterlinge
von Stefan aus dem Siepen

Bewertet mit 5 Sternen

Es ist ja immer interessant zu schauen, was für einen beruflichen Hintergrund der Autor eines Buches hat. Denn seien wir ehrlich – die meisten Autoren verdienen ihr Geld nicht mit dem Schreiben von Büchern, sondern brauchen noch weitere Möglichkeiten, um über die Runden zu kommen.

Die meisten sind Journalisten oder Lehrer oder irgendwas anderes mit viel Freizeit. Bei Stefan aus dem Siepen war ich allerdings wirklich überrascht! Der Herr ist nämlich im diplomatischen Dienst tätig und arbeitet im Planungsstab des Auswärtigen Amtes. Eine wichtige Persönlichkeit, könnte man also sagen, der mit Sicherheit einen mehr als gut ausgefüllten Berufsalltag hat.

Trotzdem schreibt er „nebenbei“ Bücher. Und zwar sehr gute, habe ich mir sagen lassen. Mein Erstling von ihm war nun „Die Entzifferung der Schmetterlinge“, in dem Aus dem Siepen einen Protagonisten beschreibt, der ihm wahrscheinlich auf den ersten Blick so fremd sein muss wie kaum ein anderer.

Die Hauptfigur Peter Nauten sei ein „Nachfahre des Eichendorffschen Taugenichts“ heißt es im Klappentext und das trifft es auf den Punkt.

Nauten ist ein absoluter Niemand und damit nicht mal besonders unglücklich. Er lebt sein Leben und weiß, dass er im Grunde ein ziemlicher Versager ist, aber das ist okay.

Auf knapp 220 Seiten wird sein Leben beschrieben, von der frühesten (glücklichen) Kindheit an, über die Jugendjahre, das Studium der Alten Sprachen, das er zugunsten eines Versicherungsjobs aufgeben muss, eine gescheiterte Ehe und später über das Dasein als Kellner in einem 50er- Jahre- Szenelokal und noch viel später über das Leben als Hausbesitzer auf Wangerooge.

Und dabei sind diese 220 Seiten niemals langweilig! Aus dem Siepen beschreibt Nauten so liebevoll und aus so einem wohlwollenden, fast väterlichen Blickwinkel, dass man ihn einfach ins Herz schließen muss, auch wenn er eigentlich über keinerlei liebenswerte Eigenschaften verfügt. Er existiert eben und allein das macht ihn in dem Roman schon zu einer liebenswerten Kreatur.

Man kann mit dem Buch sicherlich seine Probleme haben. Ich denke, dass „Die Entzifferung der Schmetterlinge“ ein Buch ist, das man entweder liebt – oder sterbenslangweilig findet.

Ich habe es definitiv geliebt, von der ersten Seite an. Und das, obwohl eben nichts passiert. Obwohl Nautens Leben so unaufregend ist und vom Scheitern und Schicksalsschlägen geprägt ist. Und Nautens Lebenswerk, die Entzifferung der Schmetterlinge, auch nicht vollendet wird. Was es damit genau auf sich hat, möchte ich an dieser Stelle gar nicht verraten, denn diese Tätigkeit ist so voller Symbolhaftigkeit und so voller Metaphorik, dass sie sich nur schwer in Worte fassen lässt, ohne zu viel vorwegzunehmen.

Mein Fazit ist also positiv. Ich bin nicht so restlos begeistert wie der Journalist der Nürnberger Zeitung, der schrieb, dass er das Buch gleich zweimal gelesen hat, aber es ist definitiv ein Buch, dass ich in ein paar Jahren nochmal lesen werde und dass mir noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass es von den Kritiken sehr gemischt aufgenommen wurde und jeder etwas anderes empfindet, wenn er mit Nauten als Persönlichkeit konfrontiert wird. Macht euch am besten selber ein Bild.

(Als Weihnachtsgeschenk würde ich es allerdings nicht uneingeschränkt empfehlen, dafür ist es vielleicht zu speziell.)