Rezension

ein opulentes Mittelalterepos

Der Kalligraph des Bischofs - Titus Müller

Der Kalligraph des Bischofs
von Titus Müller

Bewertet mit 4 Sternen

Historischer Hintergrund:

Wir befinden uns im 9. Jahrhundert nach Christus. Karl der Große, der römisch-deutsche Kaiser, ist 814 gestorben. Sein Nachfolger ist Sohn Lothar.

Auf dem Papstthron sitzt Paschalis I., der mehr Einfluss in den deutschen Landen will. Die Kirche und die Fürstentümer rittern um ihre Macht. Wenn sie nicht gemeinsam gegen die Sarazenen, die ihre Pfründe bedrohen kämpfen, bekriegen sie sich gegenseitig. Die Klöster stehen in ihrer Hochblüte. Die Kunst des Schreibens wird hochgehalten. In den Skriptorien mancher Klöster finden wahre Künstler im Ausfertigen von Urkunden. Unter Karl dem Großen wird auch die als „karolingische Bildungsreform“ begonnen und die Schrift der „karolingischen Minuskel“ als Schreibschrift eingeführt

Inhalt:

Germunt, ein Dieb und Mörder flieht vor seinen Bluträchern über die Alpen nach Turin. In eben jene Stadt, in die auch Claudius, ein gelehrter Westgote als Bischof entsandt wurde.

Claudius ist zwar Bischof, vertritt aber die Lehre nach dem Bilderverbot in der Kirche. Zu dieser Zeit (700 Jahre vor Martin Luther) eine ketzerische These.

Doch nicht nur die innerkirchlichen Dispute machen Claudius das Leben schwer, nein auch der aufsässige Graf Godeoch will ihn aus dem Weg räumen.

Claudius nimmt Germunt in seine Dienste und lässt ihn in den „sieben schönen Künsten“ ausbilden. Der ehemalige Dieb findet Gefallen daran Schreiben zu lernen und entpuppt sich als wahrer Künstler. Noch weiß Germunt nicht, dass seine Gabe sowohl Claudius als auch ihm das Leben retten wird.

Die Schicksale der beiden sind enger verknüpft als sie beide dies erwarten.

Erzählstil/Spannung:

Titus Müller präsentiert einen opulenten und farbenprächtigen Mittelalteroman. Gespickt mit echten historischen und fiktiven Personen und Persönlichkeiten.

Der Leser ist förmlich dabei, wenn die Salzverkäufer ihre Ware auf dem Markt loswerden wollen. Man kann die inneren Kämpfe des Bischofs miterleben, ist hautnah an den Intrigen dabei und lernt einiges aus der Geschichte. Das jedoch völlig unaufgeregt und unterschwellig. Sehr anschaulich ist das Leben der einfachen Leute geschildert, der Gestank im sommerlich heißen Turin,

Manchmal könnte die eine oder andere Passage ein wenig gestrafft werden. Als Leser kommt man manchmal in Versuchung „schnell“ weiterzulesen, so dass einem das eine oder andere Detail entgeht.

Spannende Situationen entstehen immer dann, wenn einerseits Germunt in sein altes Leben als Dieb zurückfällt und andererseits Claudius an sich und Gott zweifelt.

Hochspannung kommt auf, als das Geheimnis um Germunt von einem Spielmann gelüftet wird.

Charaktere:

Germunt, ein schlauer Bursch, gewitzt nimmt seine quasi letzte Chance in Form des Schreiberlings bei Claudius wahr. Seine „Karriere“ als Dieb ist nun beendet. Er setzt seinen Verstand nun für andere Dinge ein.

Claudius, der Zweifler, sein täglicher Kampf mit sich und Gott ist anschaulich dargestellt und mündet in der Zerstörung der Heiligenbilder und Statuen. Er erkennt kritisch, dass der Reliquienhandel ausgemachter Schwindel ist. Es ist allerdings auch ein absoluter Machtmensch.

Stilla, die Blinde erscheint mir ein wenig zu emanzipiert. Das macht aber gar nichts, bietet sie ja Germunt, dem Grafen und auch dem Bischof die Stirn.

Fazit:

Ich habe das Buch schon im Jahr 2002 bei seinem erstmaligen Erscheinen gelesen. Es hat in der Zwischenzeit nichts an seiner Faszination eingebüßt.

Für die, dies sich im Mittelater abseits von „Köig Artus und seiner Tafelrunde“ nicht so gut auskennen, wäre ein Glossar recht hilfreich.

Wer mittelalterliche Farbenpracht liebt, ist hier richtig und gut bedient.