Rezension

Ein schöner Einstieg in das Werk Houellebecqs

Karte und Gebiet - Michel Houellebecq

Karte und Gebiet
von Michel Houellebecq

Bewertet mit 4 Sternen

Als ich mir - nachdem ich den Roman gelesen hatte- die Rezensionen zu diesem Buch genauer betrachtete, merkte ich: es war wohl für mich ein Glücksfall, dass ich vorher noch keinen Houellebecq kennen gelernt hatte (abgesehen vom Film "Elementarteilchen"). Sehr oft werden Vergleiche zu seinem früheren Werk gezogen und zumeist kommt der aktuellere Roman "Karte und Gebiet" bei diesen Vergleichen nicht so gut weg, meistens mit der Begründung, Houellebecq sei viel zu "zahm" geworden. Nun... sehen wir es mal aus einer anderen Perspektive: Houellebecq spricht mit diesem, offenbar eindeutig weniger aggressiven und vulgären Roman eine breitere Leserschaft an und ganz offensichtlich sind die "neuen" Leser/innen sehr angetan. Auch ich zähle mich zu dieser Gruppe.

Die Geschichte von dem Künstler Jed Martin, der schon früh Halbweise ist (Mutter beging Selbstmord) und ein sehr schwieriges (angestrengtes), aber trotzdem irgendwie enges Verhältnis zu seinem Vater hat, fesselte mich sehr. Jed Martin kann keine festen Beziehungen eingehen und zieht sich von allem, so weit es geht, zurück. Selbst der Ruhm, der ihm aufgrund seiner künstlerischen Arbeit zuteil wird, kann ihn wenig beeindrucken. Es ist das Gemälde einer einsamen und zerrissenen Person, die Houellebecq hier erschafft. Einzig der Autor selbst, der sich in diesen Roman mit "hineinschreibt", hat sehr viel mit dem Protagonisten gemein und wird für Jed zu einer Art Bezugsperson. Aber auch fast alle Nebenfiguren sind eher die Allein-Gebliebenen, die Workaholics... ohne nennenswerte soziale Bindungen. Es ist der Trend der heutigen Zeit in der westlichen Welt, den Houellebecq hier - ein wenig überspitzt zwar, aber eindrucksvoll- darstellt.

Ich habe "Karte und Gebiet" sehr gern gelesen. Der Autor hat einen guten, flüssigen Schreibstil. Die Ausflüge in die Kunst und Architekturgeschichte sind zuweilen für mich als Neuling auf diesem Gebiet etwas anstrengend, aber durchaus interessant. Der "eingebaute" Krimi ist alles in allem fesselnd - Tathergang und Täter sind wirklich extrem. Er gibt dem Roman noch eine gewisse "Würze".

Mir als Houellebecq- Erstleserin gefällt besonders die Art und Weise, wie der Autor Personen, Situationen und Orte beschreibt. Sie erzeugt eine melancholische Stimmung, die schon ein wenig pessimistische Züge hat (er thematisiert besonders zum Ende hin den "Verfall"), die aber auch zeigt, dass ein Leben durchaus lebenswert sein kann. Vielleicht nicht in jedem Moment, aber in einigen einzigartigen Momenten. Der Roman hat diverse gesellschaftskritische und auch philosophische Ansätze, denn nicht zuletzt findet er den Weg zurück zur Natur, die alles überdauert - auch uns Menschen.

Fazit: Wirklich lesenswert!