Rezension

Ein schöner Roman

Der Garten über dem Meer - Mercè Rodoreda

Der Garten über dem Meer
von Mercè Rodoreda

Bewertet mit 4 Sternen

Dieses Buch gefällt mir gut, ich gehe neben dem Gärtner durch den Garten, sehe die Blumen und rieche sie förmlich. Der Gärtner erzählt aus einer Zeit der 20er/ 30er Jahre, als seine reichen jungen Arbeitgeber in diesem Haus am Meer unweit von Barcelona mit ihren Freunden den Sommer verbrachten. Es waren Menschen der Oberschicht, die sich in der Sommerfrische allerlei Belustigungen, Feiern und dem faulen Nichtstun hingaben. Die Dienstboten erledigten die anfallenden Arbeiten und waren stumme Zuschauer des munteren Treibens. Nebenbei erfahre ich durch den Gärtner die Geschichten der Bewohner und Besucher, deren Schicksale, Wünsche und Hoffnungen. Hinter all dem liegt der Garten, der wunderschön angelegt ist, wie eine stille Kulisse für einen Film.

Der Gärtner erzählt von seiner großen Liebe, die früh verstarb und man merkt, dieser Garten und sein Häuschen sind seine Heimat und seine Zuflucht. Dadurch, dass er aus seiner Distanz als älterer lebenserfahrener Angestellter erzählt, kommen mir die jungen Leute noch mondäner und abgehobener vor. Er ist bodenständig und immer um die Pflanzen, aber auch um die Menschen bemüht. Das gibt seinem Leben einen Sinn, macht ihn glücklich. Die jungen Leute dagegen treten im Garten buchstäblich alles mit Füßen, was ihnen nicht passt. Sie vergnügen sich mit immer ausgefalleneren Tieren und werden trotzdem nicht glücklich. Ihre immer dekadenter werdenden Spielchen können nicht ihre innere Leere füllen. Zwischenmenschliche Erfüllung und Zufriedenheit werden nicht durch die Liebesbeziehungen erreicht.

Der ruhige Erzählstil gefällt mir gut und führt mich durch den Garten, lässt mich die Blumen anschauen, den Vögeln lauschen und das Meer beobachten. Sehr schön!
 
Doch dieser Garten wirkt nur so lange als idyllische Oase der Ruhe, solange die Bewohner keine Probleme haben. Denn trotz des Reichtums werden die Menschen hier nicht glücklich. Wahre Liebe lässt sich nicht erkaufen.
Geld macht in diesem Fall leider auch nicht glücklich und Sehnsüchte und Lebenssinn bleiben unerfüllt, wie man letztlich am tragischen Schicksal einiger Protagonisten erkennen muss. Ein wenig bahnt sich in diesem Roman schon der gesellschaftliche Umbruch des Großbürgertums an, der dann später im spanischen Bürgerkrieg gipfelte.
 
 
Es gibt ein wunderbares Nachwort von Roger Willemsen, das viele Aspekte deutlich macht und Erklärungen anführt. Er hat hier gleichzeitig ein Stück Literatur geschaffen, indem er die Romane und Erzählungen der Autorin in einen Zusammenhang setzt und sie erläutert.
Nachwort von Roger Willemsen Zitat S. 229:
"Im Garten über dem Meer, einem Garten Eden jenseits des Sündenfalls, sind alle Figuren in Liebesgeschichten verfangen, doch keine von diesen steht involler Blüte. Sie werden erst, sie verwachsen und welken, sie sind dahin oder wollen nicht werden."

Dieses Buch kommt in einer prachtvollen Stoffbindung in harmonischen Farben und einem Schuber daher und wirkt dadurch sehr edel und wie eine kleine Rarität. Es ist etwas ganz besonderes und eignet sich gut als Geschenk.

 "Der Garten über dem Meer" ist ein ausgefallenes und schönes Leseerlebnis, ein Ausflug ans Meer mit einem Garten voller Blumen und dem Duft der Meeresbrise.
Hier bringt ein stilvoller Erzählstil die Dekadenz einer Oberschicht zum Ausdruck, die letztlich zum Scheitern verurteilt ist und der aktuelle Bezug ist ein immer wieder kehrender. Ein empfehlenswertes Buch für einfühlsame Lesestunden.