Rezension

Ein spannender Roman über jüdische Tradition und Assimilation zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Bis der Tag anbricht - Aharon Appelfeld

Bis der Tag anbricht
von Aharon Appelfeld

Bewertet mit 4.5 Sternen

»Bis der Tag anbricht« (2006; Originalausgabe 1995) spielt zu Anfang des 20. Jahrhunderts. Während sich in Appelfelds Buch »Elternland« (vgl. Rezension in diesem Forum) die Frage nach der Tradition auf den Gegensatz zwischen neuem Israel und Fortschritt auf der einen und ostjüdischem geschichtlichem Erbe, einschließlich der Shoah, auf der anderen Seite bezieht, geht es in »Bis der Tag anbricht« vor allem um die Frage der Assimilation an eine nichtjüdische Umwelt, um das Verhältnis zum Judentum als Religion: Die Juden haben sich hier, bis auf wenige, an die sie umgebende Gesellschaft assimiliert – so auch Blanka Hammer, geb. Gottesmann, die Hauptfigur, die einen Christen geheiratet hat und zum Christentum konvertiert ist.

»Bis der Tag anbricht« ist ein sehr spannender Roman; Blanka ist mit ihrem kleinen Sohn Otto (geb. am 16.2.1908) aus ihrem Heimatort geflohen – wovor, das beginnt der Leser irgendwann zu ahnen und erfährt es gegen Ende des Buchs. Während sie auf der Flucht auf das Geschehene zurückblickt und es, als Rechtfertigung, für Otto aufschreibt, der den Grund der Flucht nicht kennt, berichtet der Erzähler in Rückblicken, was passiert ist: In dessen Erzählung erinnert Blanka sich an ihre Eltern, an ihre Ehe mit Adolf Hammer, der sie betrügt und schlägt, an verschiedene Personen, über die sie ein Verhältnis zum Judentum gewann. Für Blanka Hammer ist die Rückkehr zum Judentum ein Weg, in dem sie zunehmend den jüdischen Selbsthass ihres Vaters überwindet. Der Rückblick bringt sie ihrer Herkunft näher, er ist ein Weg der Befreiung – doch um den Preis, dass sie Unrecht getan hat. Die Abwendung vom Judentum hat sie in die Unfreiheit der Ehe mit Adolf Hammer geführt; doch weil die Befreiung nur durch Gewalt möglich war, endet auch die Rückkehr zum Judentum wieder mit Gefangenschaft.