Rezension

Ein vielschichtiger Krimi um Immobilienspekulation und alte Geheimnisse

Häusermord - Anni Bürkl

Häusermord
von Anni Bürkl

Bewertet mit 5 Sternen

Anni Bürkl, vielen Lesern durch ihre „Tee-Krimis“ rund um Berenike Roither bekannt, stellt uns einen neuen Ermittler in einer anderen Umgebung vor: Wolfgang „Wolf“ Nowak.

Sein Aufgabengebiet liegt in der Leopoldstadt, dem zweiter Wiener Bezirk. Zwischen Donaukanal und Donau gelegen fristete der Bezirk früher eher ein bescheidenes Dasein. Wegen der jüdischen Bevölkerung Jahrzehnte lang als „Mazzesinsel“ verunglimpft, während der Nazi-Herrschaft weitgehend entvölkert, wohnten hier bis vor wenigen Jahren eher Menschen mit geringen Einkommen. Viele Häuser stammen aus der sogenannten „Gründerzeit“ (Anfang des 20. Jahrhunderts) und sind in einem nicht unbedingt guten Zustand.

Jetzt, wo sich seit einiger Zeit durch die Ansiedlung von Künstlern und Literaten die Leopoldstadt wie ein Phönix aus der Asche erhebt, werden diese Mietshäuser von Projektentwicklern gerne gekauft, saniert und teuer weitergegeben. Die Crux bei der Sache ist nur, dass es nach wie vor Altmieter in den Häusern gibt, die seit 50, 60 Jahren darinnen wohnen und ihre oft liebevoll renovierten (Substandard)Wohnungen nicht aufgeben wollen. Viele dieser Wohnungen (mit Klo am Gang) haben alte Mietverträge zu einem extra günstigem Mietzins, dem sogenannten „Friedenszins“. Der wurde 1917 als Mietzinsobergrenze eingeführt, um die Wohnungsnot und die damit einher gehende Spekulation ein zu dämmen.

Um diese Altmieter loszuwerden, setzen Hausherren und Immobilienverwerter immer wieder alle möglichen Mittel ein. Sei es, dass die im Winter die Fenster herausreißen und/oder Strom- und Gasleitungen kappen – alles natürlich, weil sie renovieren wollen, oder dass Obdachlosen oder Punks gratis wohnen angeboten wird, um die eigentlichen Mieter zu vertreiben. 

In genau so ein Miethaus führt uns nun der Kriminalfall mit dem sich Wolf Nowak beschäftigen muss.

Wolf sitzt gemütlich in einem der zahlreichen Cafés rund um den Karmelitermarkt, als sein Frühstück rüde unterbrochen wird. Else Molnar, eine der betroffenen Mieterinnen, übergibt ihm eine Schachtel mit einem abgetrennten Arm.

Bei den Ermittlungen wird der Polizist unversehens mit seiner eigenen Vergangenheit konfrontiert. Er trifft seine Jugendliebe Antonia wieder. Gemeinsam haben sie schreckliche Jahre im Kinderheim am Wilhelminenberg verbracht. Durch ein schwer wiegendes Missverständnis haben sie sich aus den Augen verloren. Während es Wolf geschafft hat, einen Beruf zu ergreifen, hat sich Antonia nun den Punks angeschlossen, die in Elses Haus für Unruhe sorgen sollen.

Nach und nach tauchen weitere Körperteile auf. Bei seinen Ermittlungen trifft Wolf immer wieder auf dasselbe Konglomerat von Immobilienvermittler, Projektentwickler, Baufirma und nicht zuletzt auf einen Stadtrat, der seine Finger in diesem schmutzigen Geschäft stecken hat. Der Stadtrat verlangt die Einstellung der Ermittlungen und droht, Wolfs Geheimnis aus dem Kinderheim öffentlich zu machen.

Während Wolf noch mitten in den Untersuchungen zum Mordfall steckt, verschwindet ein zweiter Mitbewohner spurlos. Gleich darauf gerät Antonia in große Gefahr.

Wird Wolf rechtzeitig die richtigen Schlüsse ziehen und Antonio retten?

Anni Bürkl zeichnet einen sympathischen Polizisten, der ein ziemlich großes Binkerl (=Paket) aus seiner Kindheit mit sich herumschleppt. Weil seine alkoholkranke Mutter sich nicht um ihn hinreichend gekümmert hat, wird er in das Kinderheim am Wilhelminenberg gebracht, in dem schon Antonia lebt. Doch die Zustände dort waren ebenso grausam wie katastrophal. Die Aufarbeitung dieser Zeit beschäftigt noch immer die Gerichte.

Auch die anderen Figuren des Krimis wirken authentisch. Da ist zum einen Elsa Molnar oder die Baronin oder der schule Zuckerbäcker. Die Punks sind schillernd wie deren Haarfarbe und die Bösen sind ein Verschnitt aller möglichen Immobilienhaie, von denen es nach wie vor welche gibt.

Fazit:

Als langjährige, frühere Bewohnerin dieser Gegend rund um den Karmeliterplatz, kenne ich die Situation recht gut und habe mich durch die Beschreibung gleich wieder heimisch gefühlt.

Dieser Krimi ist vielschichtig und schildert Teile der Stadt abseits des viel besungenen „goldenen Wienerherzens“.

Bitte mehr davon.