Rezension

Ein wunderbarer Roman mit einer poetisch-sinnlichen Sprache, die betört

Das Bild aus meinem Traum - Antoine Laurain

Das Bild aus meinem Traum
von Antoine Laurain

Bewertet mit 5 Sternen

Das Porträt seines Lebens

Nachdem mich bereits Antoine Laurains vorangegangene Romane Liebe mit zwei Unbekannten und Der Hut des Präsidenten mit ihrer Poesie und Ausdrucksstärke fasziniert haben, ist es ihm nun mit seinem dritten Roman Das Bild aus meinem Traum erneut gelungen, mich mit seinem Charme und Zauber einzufangen. Dies liegt nicht nur an der wunderbaren Geschichte, die mit Originalität und Romantik betört, sondern vor allem an Laurains Sprache, die – klangvoll und inhaltsreich – mitten ins Herz trifft. Und wieder ist es ein ganz spezielles Objekt, das das Leben eines in ungeliebter Alltagsmonotonie erstarrten Menschen auf beinahe magische Weise verändert. Der Protagonist des Romans, Pierre-François Chaumont, ein 46-jähriger Patentanwalt, lebt weniger für seinen Beruf, dafür aber umso mehr für seine Passion: Das Sammeln kostbarer Antiquitäten, eine fast obsessive Leidenschaft, die er von seinem Lieblingsonkel Edgar geerbt hat. Seine Ehe mit Charlotte, die seine Begeisterung für schöne Dinge in keiner Weise teilt und die von ihm ersteigerten Objekte in sein Arbeitszimmer „verbannt“, steckt in einer Krise – lieb- und sprachlos leben sie nebeneinander her.

Das geheimnisvolle Porträt

Das Einzige, was sein trübes Dasein erhellt, sind die regelmäßigen Besuche des Pariser Auktionshauses Drouot, wo er Ausschau nach Preziosen für seine Sammlung hält. Eines Tages entdeckt er dort ein Porträt eines Adligen aus dem 18. Jahrhundert, das ihm zum Verwechseln ähnlich sieht. Das Bild übt eine unerklärliche, geheimnisvolle Anziehungskraft auf ihn aus, so dass er alles daran setzt, es zu ersteigern, was ihm schließlich auch mit einem horrend hohen Angebot gelingt. Seine Frau Charlotte ist entsetzt, als sie erfährt, wie viel Geld ihr Mann wieder für sein in ihren Augen sinnloses Hobby ausgegeben hat, und das Porträt scheint einen weiteren Graben zwischen beiden aufzutun. Doch François hat längst aufgehört, von Charlottes ständiger Nörgelei Notiz zu nehmen. Er macht sich lieber akribisch daran, den Namen und die Herkunft des Adligen auf dem Porträt herauszufinden, den niemand zu kennen scheint und dessen frappierende Ähnlichkeit mit ihm sowohl Charlotte als auch seine Freunde vehement verneinen. Von besonderem Interesse ist für ihn das Wappen, das eine schwarze Katze, ein Schwert und die Hexenpflanze zeigt.

Ein neues Leben

Schließlich wird er zu seinem Erstaunen sogar fündig: Kurzum lässt er sein altes Leben hinter sich und macht sich auf den Weg nach Rivaille, ein kleines Dorf in Burgund, wo er den Ursprung des mysteriösen Wappens und der dazugehörigen Adelslinie vermutet. Als er in einem Bistro einkehrt, blickt er in die erschrocken-erstaunten Gesichter der Dörfler, die ihn für den vor vier Jahren verschwundenen Grafen von Mandragore, Aimé-Charles de Rivaille, halten. François ist perplex, kann sich aber nicht dazu durchringen, seine wahre Identität zu offenbaren – denn zu verlockend, zu verwegen ist die Chance auf ein neues Leben. Als er dann noch Mélaine, die Gräfin von Mandragore, kennenlernt, die ihn für ihren Gatten hält, und ihr hoffnungslos verfällt, scheint sein Schicksal besiegelt. Seine alte Existenz ruht in der Vergangenheit, der Liebe seines Lebens gehört die Zukunft.

Doch während er sinnliche Stunden mit Mélaine genießt, haben Charlotte und seine Freunde angesichts seines Verschwindens die Polizei eingeschaltet. Der für Presse und Öffentlichkeit merkwürdig anmutende Fall wird medial ausgeschlachtet: Man stellt die wildesten Vermutungen an, die schließlich auch bis zu François durchdringen. Dieser will sein altes Leben auf gar keinen Fall zurück – wohl aber seine Antiquitäten, die untrennbar mit ihm verbunden sind und sich noch in seiner alten Wohnung in Paris befinden. Und so fasst er einen verwegenen Plan, um sowohl seine große Liebe als auch seine Preziosen für immer an seiner Seite zu haben…

Ein kostbarer Roman mit viel Charme, Esprit und Lebensklugheit

Antoine Laurain ist ein Sprachvirtuose mit poetischer Finesse, wie es ihn heute nur noch selten gibt. Seine einzigartigen Geschichten, die er mit angenehmer Leichtigkeit erzählt, nehmen sofort gefangen und hallen noch nach, wenn der Roman längst beendet ist. Wie eine berührende Symphonie, deren Klänge uns noch eine Zeit lang begleiten, reflektieren wir diese Geschichte erst im Nachhinein in all ihrer Komplexität. Mit Das Bild aus meinem Traum ist Laurain ein weiteres Glanzstück gelungen. Mit viel Feingefühl lässt er uns in die Seele seines Protagonisten, Pierre-François Chaumont, schauen, dessen triste Existenz angesichts seines unerfüllenden Jobs und seiner leidenschaftslosen Ehe stagniert, bis sich ihm plötzlich und unerwartet die Chance auf ein neues Glück bietet. Er ergreift sie – doch was kommt danach? Kann er sein altes Leben wie ein Kleidungsstück ablegen? Lassen sich das momentane Glück und die stürmische Liebe trotz ihrer Flüchtigkeit bewahren? Und so tauchen unter der Oberfläche immer wieder auch existentielle Fragen auf, die uns die Tiefe des Romans offenbaren und uns vor Augen führen, wie fremdbestimmt und fragil wir oftmals in unserem Menschsein sind. Aber Laurain zeigt uns auch, wie leicht es trotz allem sein kann, diese Erstarrtheit zu durchbrechen, seinem Leben eine neue Richtung zu geben und sich von Liebe berauschen zu lassen. Es sind die Glücksmomente, die zählen, und es sind wir Menschen, die sie möglich machen.

Mein Fazit: Ein ganz wunderbarer Roman mit einer poetisch-sinnlichen Sprache, die betört! Sehr, sehr lesenswert!