Rezension

Eindrucksvoll und drastisch - Nachkriegsroman

Fast ein Leben - Petra Mader

Fast ein Leben
von Petra Mader

Bewertet mit 5 Sternen

Als die Enkelin Susanne begreift, dass die Person, die sie als „die Ome“ kennen gelernt hat, schon fast verschwunden ist, obgleich sie noch lebt, ist sie betroffen. Ist es zu spät, den Lebenszügen der dementen Grossmutter nachzuspüren oder gelingt es noch, die Bruchstücke zu einem Ganzen zusammenzusetzen?

Susanne macht sich an die Arbeit des Zusammenfügens des Puzzles „Rosa Gerber, 1908 bis 2002" und zutage kommt ein Schicksal, das den Begriff „Leben“, wie ich ihn verstehe, nämlich als eine sinnvolle Daseinszeit, versehen mit einem gerüttelt Maß an Freude und Liebe, Befriedigung und Glück, kaum verdient. Was dagegen reichlich vorhanden ist, ist Pflicht. Pflicht und der Kampf ums tägliche Brot: wenn es darum geht, kann man sich auf Rosa Gerber verlassen.

Obwohl das Thema Demenz allgegenwärtig ist, spielt die Autorin den zunehmenden Abbau der psychischen und pysischen Fähigkeiten der Grossmutter und die diesbezügliche Hilflosigkeit und die Überforderung der Angehörigen nicht in den Vordergrund, die Demenz unterlegt die Geschichte der Rosa Gerber jedoch als schrägen Schlussakkord des Lebensabends. Die Ome hätte bestimmt gesagt: „Au des no" (Auch das noch).

Petra Mader hat mit Rosa Gerber ein so realistisches Bild einer aus einfachen Verhältnissen stammenden Schwäbin entworfen, die weder vom Schicksal noch von den Zeiten verwöhnt wurde und von daher Liebe kaum annehmen noch geben kann, dass ich verblüfft bin. Das schwäbische Ambiente ist stimmig und dass die Ome schwäbisch spricht, verleiht dem Lebenslauf Wirkung und Authentizität.

Selten trifft ein Titel so den Nagel auf den Kopf wie hier: Rosa hatte kein Leben, sondern nur „Fast ein Leben.“

Das einzige, was das Ganze noch runder  gemacht hätte, wäre bei der Vielzahl der Familie, ein Stammbaum gewesen. Nicht jeder nimmt Papier und Stift zu Hilfe, um sich zurechtzufinden.

Fazit: Das Leben, der Alltag, der Kampf im Dasein ist nicht immer Zuckerbrot. Unsere Vor-Eltern, jedenfalls die, die keiner privilegierten Schicht angehörten, konnten ein Lied davon singen. Dass unsere Zeitgesellschaft sich im Gegensatz zu deren Kämpfen, auf hohem Niveau beklagt, das belegt Petra Mader mit ihrem Debütroman „Fast ein Leben“ so eindrucksvoll wie drastisch: ich hoffe, sie erfreut ihre Leser bald wieder mit einem Werk aus ihrer Feder.