Rezension

Eine besondere Geschichte ...

Mitternachtsweg - Benjamin Lebert

Mitternachtsweg
von Benjamin Lebert

Bewertet mit 5 Sternen

Peter Maydell ist auf den Weg zur Lübecker Zeitung, wo er immer noch als Redakteur arbeitet, weil er sich einfach nicht von seinem Berufsleben trennen kann. Dort angekommen erwartet ihn eine Sendung von einem jungen Historiker, Johannes Kiellands, der immer wieder mit neuen mysteriösen, aber auch romantischen Berichten für die Zeitung aufwartet. Diesmal allerdings klingt alles anders, Peter erhält ein Art Abschiedsbrief und dazu die letzten Aufzeichnungen von seinen Recherchen. Johannes Kielland war auf der Spur einer ganz besonderen Geschichte. Ein Mann wurde am Sylter Strand angespült und auf dem Friedhof für die Heimatlosen bestattet, kein Name ziert sein Grab, nur der Tag seines Fundes. Johannes wird auf diese Geschichte aufmerksam und schreibt darüber und bekommt kurze Zeit später ein Brief von einer Frau, die behauptet den Toten gekannt zu haben. Natürlich weckt das Johannes Neugier und so trifft er sich mit der Frau und wird gefangen genommen von ihrer Geschichte. Aber nicht nur das, er fühlt sich auch zu hier hingezogen, lässt sich immer mehr von ihr einwickeln und wird in einen Sog aus Faszination, Legenden über Sylt und dem Meer hinabgezogen, bis er die Wahrheit entdeckt. Ob es da schon zu spät für Johannes ist? Was ist mit dieser geheimnisvollen Frau? Warum spielt Sylt so eine Rolle? Und welche große Liebe wird hier erzählt?

Endlich ein neuer Lebert und was habe ich erwartet? Eine Geschichte, die mich berührt und Poesie. Habe ich das bekommen? Aber so was von!
So viele Bücher habe ich von dem Autor noch nicht gelesen, aber ich wusste, wenn ich ein Buch von ihm anfange, muss ich mir Zeit dafür nehmen und das habe ich. Er schreibt nicht mal eben eine Geschichte für nebenbei, die den Alltag ausblenden lässt. Nein, er geht mit seinem Büchern tiefer, lässt uns über seine wunderbaren Worte schweifen und oft muss man die Sätze nochmals lesen, weil darin so viel Wahrheit steckt. Dabei hat er einfach ein Talent sich auszudrücken und seine Wortwahl ist einfach großartig. Für mich ist es einfach unglaublich toll, wie er schreibt und ich kann meine Begeisterung gar nicht in Worte fassen.
Aber was erzählt er diesmal, er nimmt uns mit auf Sylt, aber nicht das typische Urlaubsziel, nein, das Sylt der Seeleute, das Sylt der Einwohner und das Sylt der Legenden. Ich kenne nur Sylt als VIP Insel, die einfach nur mega überteuert und Touristenreich ist, obwohl ich gestehen muss, dass ich noch nie da war, die typischen Vorbehalte eben. Aber hier machte er mich schon neugierig, mit einem Friedhof für die ganzen namenlosen Angespülten, die nicht einfach in irgendein Loch verscharrt werden, sondern einen Platz bekommen. Es berührt einen sehr, davon zu lesen und für jeden bedeutet ja Heimat auch etwas anderes. Man kommt ins Grübeln und man muss einfach auch ein bisschen über seine eigene Definition nachdenken. Es wird also nach langer Zeit wieder ein Toter angespült und beerdigt, über diese Geschichte schreibt Johannes Kielland und gerät so in einen Strom aus Ereignissen, die er so nicht erwartet hätte, ich übrigens auch nicht.
Mit Johannes Kielland hat er wieder einen sehr interessanten jungen Mann geschaffen, der eine bewegende Kindheit hinter sich hat, sich in der Gothic Szene angehört fühlt und ein richtiger Einzelgänger ist. Hier spürt man seine Einsamkeit, die unbeholfene Art anderen gegenüber, dieses, sich schnell von jemanden angezogen fühlen, sich berauschen lassen und erst später darüber nachzudenken, der das Besondere sucht und meint es müsste traurig und rätselhaft sein. So wird er in eine Geschichte verstrickt, die von Seite zu Seite mysteriöse, unglaubwürdiger und schwerer zu entschlüsseln wird. Dann kommt diese Frau dazu, die ihn anzieht, die mit ihm Dinge macht, wovon er sonst nur träumt, die unheimlich ist, geheimnisvoll, aber trotzdem eine Unschuld ausstrahlt, die seinem Beschützerinstinkt wachruft und trotzdem ahnt er schon das ,was nicht stimmt. Diese Frau ist ein Rätsel und Johannes will es knacken, aber was er langsam und mühsam rausbekommt, erschreckt ihn viel mehr. Mehr möchte ich gar nicht verraten, denn ich habe Angst, dass jedes weitere Wort zu viel ist und den Zauber dieses Buch kaputtmachen könnte.