Rezension

Eine Geschichte über Leben, Tod, Freundschaft, Sex und das Fluchen

Jetzt spricht Dylan Mint, und Mr. Dog hält die Klappe (2 MP3 CDs) - Brian Conaghan

Jetzt spricht Dylan Mint, und Mr. Dog hält die Klappe, 2 MP3-CDs
von Brian Conaghan

Bewertet mit 3 Sternen

Der 16-jährige Dylan Mint hat eine Vorliebe für skurrile Abkürzungen und könnte eigentlich ein ganz normaler Teenager sein, wenn da nicht Mr. Dog wäre. Mr. Dog ist Dylan's Synonym für seine Tourette-Erkrankung, die sich durch plötzliche, unvorhergesehene Ticks äußert, in denen er lauthals flucht oder zu bellen anfängt. Doch sonst plagen ihn dieselben Probleme wie andere Jungs in seinem Alter. Er ist verliebt in seine Mitschülerin Michelle Malloy, laut seiner Aussage "purer Sex auf zwei Beinen" (und in Michelles Fall auf einem Klumpfuß).

Als er bei einem seiner zahlreichen Arztbesuche ein Gespräch zwischen dem Doktor und seiner Mutter aufschnappt, bei dem es um ein einschneidendes Ereignis im März geht, reimt er sich zusammen, dass er nur ein halbes Jahr zu leben hätte. Nach der anfänglichen Niedergeschlagenheit stellt er sich eine kurze to do-Liste mit Dingen zusammen, die er vor seinem Ableben erledigen möchte. Er will endlich bei Michelle landen bzw. mit einem Mädchen schlafen, einen neuen Buddy für seinen besten, autistischen Freund Amir finden und seinen verschollenen Vater nach Hause holen.

Schon mit dem ersten Kapitel ist man mittendrin in der Geschichte und muss sich erstmal etwas orientieren. Der Schreibstil des Autors ist wirklich gewöhnungsbedürftig, da mich die vielen Beschimpfungen und wirren Gedanken des naiven Dylan anfangs regelrecht verwirrt haben. Gut beschrieben fand ich hingegen die inneren Kämpfe von ihm mit Mr. Dog, in denen er versucht den Drang des Fluchens zu unterdrücken und dadurch regelrecht Schmerzen bekommt. Nach kurzer Recherche konnte ich in Erfahrung bringen, dass Brian Conaghan laut eigenen Aussagen selbst an einer abgeschwächten Form von Tourette leidet, weshalb ich diese Szenen  als sehr authentisch wahrgenommen habe. Für mich spiegeln die wirren Erzählungen exakt wider wie es in Dylans Kopf aussehen muss und so macht es für mich auch Sinn, selbst wenn einen die schnellen Themenumschwünge ganz oft überraschen und kurzzeitig durcheinander bringen.
Während des Mittelteils gab es leider einen deutlichen Spannungsabfall und die Ursprungsgeschichte selber wurde überhaupt nicht vorangetrieben. Die to do-Liste bzw. die anvisierten Ziele selber rücken aus dem Fokus, stattdessen gibt es ellenlanges Geplänkel über eine anstehende Schulparty und zusammenhanglose Episoden aus Dylan's Alltag. Das Ende bringt dann zwar nochmal überraschende Wendungen, kann es aber leider nicht vollständig rausreißen.

Besonders störend fand ich den schnellen Lesefluss von Vorleser Martin Baltscheit, der es leider schwer macht der Geschichte vollständig zu folgen. Die Sätze überschlagen sich teilweise, die inflationären Schimpfwörter werden dafür besonders deutlich betont - zumindest die, die nicht zensiert werden.

Fazit: Sehr gut erklärt fand ich den Umgang von Dylan mit seinem Tourette und wie er probiert es zu unterdrücken. Dass er dabei regelrecht Schmerzen empfindet finde ich traurig, auch wenn dies natürlich nicht wortwörtlich zu verstehen ist, sondern sich auf seinen Geist beschränkt. Allgemein erklärt es sehr anschaulich, was für ein Druck in Erkrankten bestehen muss und wie hilflos sie dann doch sind, wenn sich ihr Mr. Dog meldet und die Kontrolle übernehmen will. Dies bringt die Thematik auch Menschen nah, die bisher keine Berührung mit der Erkrankung hatten und erklärt Tourette ohne sich lustig zu machen.

Leider kann mich die Geschichte aber sonst nicht so recht begeistern und ich kann nicht mal eine Zielgruppe formulieren, die daran Freude haben könnte. Mir persönlich fehlte der rote Faden oder eine klare Strukturierung, die Erzählungen wurden zunehmend banal. Teilweise war es mir von der Sprachgeschwindigkeit einfach viel zu schnell, so dass eine Veröffentlichung  als Hörbuch ob der schnellen Dialoge und Themenumschwünge etwas unglücklich ist. Ein Hörspiel hätte es für Zuhörer einfacher gemacht zu unterscheiden wer gerade spricht.
Insgesamt eine mittelmäßige Geschichte, die mir langfristig leider nicht im Gedächtnis bleiben wird.

Kommentare

Anchesenamun kommentierte am 06. Oktober 2014 um 21:45

Ich habe das Buch gelesen, meine Rezi kommt noch. Wenn dich das Thema Tourette interessiert, kann ich dir "Sechs Millionen Kekse im Jahr" und "Ficken sag ich selten" empfehlen. Beides Autobiographien von Tourette-Erkrankten, aber gerade das 1. Buch ist sehr witzig. Von meinen Kenntnissen aus diesen Büchern betrachtet wurde Dylans Tourette schon sehr gut und realistisch beschrieben.