Rezension

Eine große Frau, die die Politik und Literatur ihrer Zeit prägte

Königin der Troubadoure - Régine Pernoud

Königin der Troubadoure
von Regine Pernoud

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist sonderbar, dass die Nachwelt von dieser Frau, die zweimal Königin und die Mutter zweier Könige war, die den Kaiser herausgefordert, den Papst bedroht und ihr Reich mit überlegenem Weitblick regiert hat, nur die Erinnerung an ein Abenteuer ihrer Jugendzeit bewahrt hat. - Régine Pernoud

Nicht nur junge adlige Frauen wurden seit eh und je verheiratet, ohne nach ihrem Einverständnis zu fragen. Auch der 16-jährige Ludwig VII., König von Frankreich, wäre lieber bei seinen Büchern in der Abtei St. Denis geblieben, um mit seinem Studium fortzufahren, anstatt plötzlich mit der attraktiven und weltgewandten Eleonore (15) verheiratet zu werden. Aber dann war er wohl doch schnell in sie verliebt. "Die Schönheit, ein Familienerbe der Aquitanier, hatte sie bestimmt von [ihrem Großvater Wilhelm, dem ersten Troubadour der Literaturgeschichte], ebenso wie den Hang zur Poesie, den Frohsinn und eine gewisse Respektlosigkeit." Eleonore bringt sich von Anfang an in die Politik ein, berät ihren Gatten, spinnt Fäden. Und sie ist lernfähig. Leider wird man ihr dies später nicht zugestehen. Ihr Gatte wird sie nach dem 1147 beginnenden zweiten Kreuzzug an ihren politischen Jugendsünden messen und sie aus der Politik verbannen. Was eine große Dummheit ist, denn sie ist inzwischen aus ihren Fehlern klug geworden und eindeutig die politisch Weitsichtigere von beiden.

Langweilig war das Leben der Eleonore von Aquitanien wahrhaftig nicht. Erstaunt liest man, dass die adligen Kreuzfahrer selbstverständlich ihre Ehefrauen mit in den Krieg nahmen - bei näherer Betrachtung versteht man dies auch - kann so ein Unternehmen doch Monate, ja Jahre dauern, und so wird es den edlen Rittern mit der Treue ein bisschen einfacher gemacht. Dennoch - was für ein Wahnsinnsunternehmen! Denn mit der Ehefrau fährt die Kammerfrau, sprich der ganze Hofstaat... Zuvor hat Eleonore in ihren Landen fleißig Anhänger und Spender geworben. Der Kreuzzug läuft dann aber alles andere als rund. Das liegt nicht nur am Verrat des byzantinischen Kaisers, der zuvor schon den deutschen Kaiser Konrad in einen Hinterhalt gelockt hatte, sondern auch an der Sturheit des durchaus heldenhaft kämpfenden Ludwig, der leider genau im falschen Moment seiner klugen Gattin gegenüber beratungsresistent wird.

Der Kreuzzug wird ein grandioser Misserfolg. Auf dem Rückweg wird Eleonores Schiff von byzantinischen Piraten gekapert und anschließend von sizilianischen Normannen zurückerobert.  Wieder vereint, werden die Eheleute vom Papst empfangen, der sich redlich bemüht, ihre Ehe zu kitten - denn diese hat Risse bekommen. Es ist tatsächlich Eleonore gewesen, die ihren Gatten bereits in Antiochia auf den Gedanken brachte, dass ihre Ehe auf Grund zu enger Verwandtschaft kirchenrechtlich keinen Bestand habe. Zurück in der Heimat dauert es denn auch nicht mehr lange, bis die Ehe des Königspaares vom Erzbischof für nichtig erklärt wird; und nur wenig später überrascht Eleonore mit ihrer Wiederheirat mit dem jungen Vasallen Heinrich Plantagenet, für den sie im Vorfeld während eines Streits mit dem König möglicherweise vermittelnd tätig war. Dass Eleonore sich mit der Hochzeit so beeilte, wird verständlich, wenn man bedenkt, dass die soeben von der Ehe erlöste Herzogin auf dem Rückweg in ihre Residenz in Poitiers zwei mutmaßliche Entführer austricksen musste, die beide dieselbe Absicht hatten, nämlich die Herzogin mit Gewalt zur Ehe zu zwingen. "Was sollte das geben, wenn sie, um ihre Länder zu verwalten, ihren traditionsgemäß recht unruhigen Vasallen entgegentreten und gegen die Widerspenstigen notfalls zu Felde ziehen musste?" Wenn auch alles darauf hindeutet, dass Eleonore diesen Ehe-Schelmenstreich schon länger vorbereitet hat. Eleonore hat ihren Gatten nun selber gewählt, und es war nicht nur eine politische Heirat, sondern auch eine Liebesheirat, und welche adlige Dame konnte sich in jener Zeit schon dieses Privilegs rühmen? An der Seite Heinrich Plantagenets wird sie nun viele Jahre als erfolgreiche politische Partnerin verbringen.

Heinrich, der geschickte Kriegsherr, zieht gegen den englischen König in den Krieg, der schließlich kapituliert. 1154 werden Heinrich und Eleonore in London zum englischen Königspaar gekrönt. König Heinrich regiert sich schnell in die Herzen des englischen Volkes ("Ich bin nicht hergekommen, um Raubzüge zu veranstalten, sondern um das Gut der Armen vor der Raublust der Großen zu schützen.") Für ein erfolgreiches Regieren ist ständige Präsenz durch Reisen erforderlich, und dieser Lebensstil liegt beiden Eheleuten offensichtlich. Gleichzeitig wird Heinrich als machtbesessener Workoholic geschildert. Eleonore kann sich in sein starkes Machtgefüge gut einfügen; ihr wird die Selbständigkeit zugestanden, die sie verdient, und eigenständig und selbstbewußt macht sie sich in der Verwaltung und in der Rechtsprechung nützlich. Eleonore fühlt sich sichtlich wohl an der Themse. Jetzt muss sie nur noch das "fin amor", den Troubadour-Gesang und die guten südfranzösischen Sitten der Frauenverherrlichung einführen, wie sie es aus ihrer Heimat kennt. In diese Zeit fällt auch die Verbreitung der Artus-Legende, bei welcher es sich tatsächlich um eine Art historischen Roman des Mittelalters handelt. Es ist sehr erhellend, wie präzise die Autorin hier das Entstehen der Artusmythe und den Anteil von Eleonores Hofstaat an deren Verbreitung offenlegt.

Aber auch in der Ehe Eleonores mit Heinrich wird es einen Bruch geben. Einen Bruch namens Rosamunde. Eleonore rächt sich an ihrem Gatten für die Seitensprünge mit der schönen Mätresse, indem sie sich nach Aquianien zurückzieht  und anfängt, sich für die Rechte ihrer Söhne gegenüber dem Vater einzusetzen. Einer von ihnen ist Richard Löwenherz. Es wird einsam um den König, und er wird immer tyrannischer. Dennoch ist er immer noch ein geschickter Feldherr, und es gelingt ihm, seine Gattin gefangen zu nehmen und sie für mehr als zehn Jahre in verschiedenen englischen Burgen zu internieren. Merkwürdigerweise wird sie aus der jahrelangen Festungshaft nicht gebrochen hervorgehen, im Gegenteil, sie ist im Laufe dieser Jahre würdevoller, weiser geworden, und Gelehrte Schreiber sprechen mit Hochachtung von ihr. Heinrich Plantagenet hingegen führt ein immer unsteteres Leben; sein Sohn Richard zieht mit dem französischen König Philipp August gegen seinen Vater in den Krieg, nachdem dieser ihm die Krönung verweigert hat. Nicht lange danach stirbt Heinrich Plantagenet vereinsamt und gebrochen (1189).

Richard sendet einen Getreuen nach England, um Königin Eleonore aus der Gefangenenschaft zu befreien. Dies hat sie allerdings schon selber erledigt und beginnt umgehend, durch das Reich zu reisen und ihre Aufgabe als Königin gewissenhaft wieder wahrzunehmen - sie spricht Recht, befreit Gefangene, führt in ganz England einheitliche Maße ein, kurz, es "weht ein befreiender Wind; ... Verschiedene Entscheidungen, die die Königin trifft ... , zeigen, wie sehr sie sich während ihrer langen Abgeschlossenheit mit den Problemen ihrer Zeit beschäftigt hat, anstatt sich einem egoistischen Schmerz hinzugeben." Sie ist nun 67 Jahre alt und offensichtlich eine würdevolle, bewundernswerte Erscheinung mit einer unbändigen Energie, und die wird sie auch weiterhin brauchen. Sei es, um die Krönung ihres Sohnes Richard Löwenherz voranzutreiben, um die Ländereien ihres später im Heiligen Land weilenden Sohnes gegen den frühzeitig taktisch aus dem Kreuzzug zurückgekehrten Philipp August zu verteidigen oder um das Lösegeld für Richards Befreiung zusammenzusammeln, der, nachdem er den Nahen Osten so gut es ging befriedet hatte, auf dem Rückweg von dem Österreicher Leopold aus niederen Motiven festgesetzt wurde. Und nach dem Tod Richards gibt sie hochbetagt noch einmal ihre selbstgewählte Klosterbeschaulichkeit auf, um dem letzten verbliebenen ihrer Söhne, dem charakterschwachen Johann ohne Land, so gut es geht, das Reich zu sichern; mit 80 Jahren reist sie über die Pyrenäen, um eine Enkelin für die Frieden sichernde Verbindung mit dem französischen Thronerben auszuwählen.

Chapeau vor dieser Frau! Eigentlich hatte ich vor ein paar Jahren nur etwas über Richard Löwenherz erfahren wollen, da ich seinem Namen auf dem französischen Jakobsweg immer wieder begegnete, und stieß nun auf seine bewundernswerte Mutter.

Starke Frauen sind schon immer gerne von den Historikern heruntergemacht und dämonisiert worden. Dieses Schicksal ereilte auch, völlig zu Unrecht, Eleonore. Das große Verdienst dieser Biographie ist, dass sie dieses Bild gründlich zurechtrückt. Die abschließende kurze Analyse der Autorin rundet das Bild wunderbar ab.

Nich immer indes überzeugt mich die Biographie von Régine Pernoud zu hundert Prozent. Biographische Werke, die den Anspruch auf Authentizität erheben und dabei gänzlich ohne Fußnoten auskommen, machen mich immer ein wenig nervös, oder sollte ich sagen, misstrauisch? Immerhin weist die Autorin im Vorwort darauf hin, "dass kein Wort und kein Satz der Dialoge und Reden der Phantasie entsprungen ist...". Für einen vielleicht beabsichtigten dichten Erzählfluss ist mir aber leider der Erzählfluss nicht immer dicht genug, da helfen die fehlenden Fußnoten auch nicht. Diese würden für mich den Hang zur ausholenden Weitschweifigkeit mit einem wissenschaftlichen Anspruch rechtfertigen. Insgesamt muss man der Autorin aber schon zugestehen, dass die Berichte sich flüssig und spannend lesen. Sie schreibt mit guter Beobachtungsgabe und zieht kluge Schlüsse. Hin und wieder finde ich allerdings die Berichterstattung wirr. Da wird chronologisch begonnen, einen wichtigen Ablauf von Ereignissen zu schildern, und dann plötzlich, um den Charakter des Beschriebenen zu bebildern, werden Ereignisse aus Vergangenheit und Zukunft berichtet, und man weiß bald nicht mehr, was ist Gegenwart, was Zukunft. Ich finde das etwas irritierend.

Jedem Kapitel ist ein französischer Vers Minnedichtung vorangestellt. Leider gibt es keine Übersetzung, und für diese altfranzösischen Schreib-und Lesarten reicht mein Pilgerfranzösisch nun wirklich nicht aus. Das ist etwas schade.

Insgesamt aber war das Buch eine sehr ertragreiche und informative Lektüre! Eleonore hat mich nachhaltig beeindruckt. Sie ist ein großes Vorbild durch ihre Weiterentwicklung, ihre Lernfähigkeit, und vor allem ihren Mut, nie aufzugeben.