Rezension

Eine kulturbedingte sicht auf die Bibel

Mit den Augen der Apostel -

Mit den Augen der Apostel
von E. Randolph Richards

Bewertet mit 4 Sternen

„...Auf den folgenden Seiten sprechen wir über neun Unterschiede zwischen westlichen und nichtwestlichen Kulturen, die wir uns beim Lesen der Bibel bewusst machen sollten. Wir benutzen dabei das Bild eines Eisbergs….“

 

Damit sagen die Autoren in der Einführung klar, worum es im Buch geht. Allerdings erlaube ich mir eine Vorbemerkung. Beide Autoren sind Amerikaner, die im Süden der USA aufgewachsen sind. Ihre Sicht der Dinge ist nicht immer eins zu eins auf Europa übertragbar. Das liegt ganz einfach an unterschiedlicher historischer Entwicklung. Auf Unterschiede in der Interpretation biblischer Texte wurde Randolph Richards durch seine Arbeit in Indonesien aufmerksam.

Das Bild vom Eisberg gliedern die Autoren in drei Teile: über der Oberfläche, direkt unter der Oberfläche, tief unter der Oberfläche. Zu jedem Punkt werden drei Aspekte betrachtet.

Der Schriftstil lässt sich angenehm lesen. Die Autoren geben viele praktische Beispiele an und analysieren bezüglich des kulturellen Hintergrund konkrete Bibelstellen. Häufig gibt es Vergleiche zwischen ihrer Sicht und der ihrer indonesischen Freunde. Dabei wird klar, dass die Bibel zu einer Zeit entstanden ist, wo der kulturelle Hintergrund weit von der heutigen amerikanischen Kultur entfernt war.

Im ersten Teil geht es um Sitten und Gebräuche, Herkunft und Hautfarbe sowie die Sprache.

 

„...Während man sich im Westen nach Privatsphäre sehnt, ist Privatsphäre eine Situation, die man beispielsweise in Indonesien zu vermeiden versucht...“

 

Damit hat das Wort logischerweise auch in beiden Kulturen eine andere Bedeutung. Zur Zeit der Bibel kannte man Privatsphäre kaum. Das Leben spielte sich in der Öffentlichkeit ab. Ähnliche weitere Zusammenhänge decken die beiden Autoren hier auf.

Im zweiten Abschnitt geht es um Individualismus und Kollektivität, Ehre und Scham und das Bild von der Zeit. Gerade zu letzteren kennt die Ursprache der Bibel zwei Begriffe: Chronos und Kairos. Ersteres steht für einen Zeitpunkt, zweiteres für die rechte Zeit. Dafür bietet sich die Betrachtung der Geburt Jesus an. Es geht nicht um Tag und Stunde, sondern darum, dass die Zeit erfüllt war.

 

„...In einer Schamkultur wie zur Zeit der Bibel und in einem großen Teil der heutigen nichtwestlichen Welt ist die treibende Kraft für das Handeln, keine Schande über sich, die Familie die Gemeinde, das Dorf, den Stamm oder den Glauben zu bringen...“

 

Überrascht hat mich hier das Geschehen um David und Betseda, das völlig neu interpretiert wurde.

Der letzte Teil beinhaltet den Umgang mit Regeln, Fragen der Tugend und den Einfluss Gottes in der heutigen Zeit.

Jeder der neun angesprochenen Punkte endet zuerst mit Schlussfolgerungen aus dem Gesagten, dann mit Denkanstößen, wo ich als Leser gefordert bin, mir selbst Gedanken zu machen.

Es folgt ein abschließendes Kapitel, das Hinweise enthält, was man beim Lesen der Bibel im Auge behalten sollte.

Die vielfältigen Literaturhinweise enthalten leider nur amerikanische und englische Literatur.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, dass wir das Wort der Bibel nicht isoliert, sondern im Kontext der Zeit betrachten müssen, um Schlussfolgerungen für das Jetzt und Heute ziehen zu können.