Rezension

Eine "Ode an die Freundschaft"

Weltfrieden -

Weltfrieden
von Lucia Jay Seldeneck

Bewertet mit 4 Sternen

Erika und Hermann sind Mitte 50, als das Brandenburger Chemiewerk abgewickelt wird. Arbeit gibt es für die beiden zunächst nicht. Als jedoch die Grundstücke am Seeufer als Wochenendgrundstücke oder auch für Neubauten genutzt werden, nutzen die beiden ihre Chance und „kümmern“ sich um die Häuser, Gärten und Bootshäuser. Als sie den Auftrag bekommen, den Garten des ehemaligen Betriebskindergartens „Weltfrieden“ zu entrümpeln, finden sie Beweise, dass sich der Treuhandabwickler mit dem Verkauf des Werkes bereichert hat. Erika, Hermann und ihre Freunde nutzen eine unverhoffte Gelegenheit.

Lucia Jay von Seldeneck, geboren und aufgewachsen in Berlin, wo sie heute nach diversen Studien und Auslandsaufenthalten mit ihrer Familie lebt. Sie war als Journalistin und PR-Managerin tätig und publizierte eine Reihe von Büchern mit Berlinbezug.“Weltfrieden“ ist ihr erster Roman.

Lucia Jay von Seldeneck schreibt einen wunderbaren Schreibstil, viele feinsinnige Formulierungen und starke Bilder. Kurz und knapp schafft sie bildhafte Szenarien.

Erika, Hermann und ihre Freunde Joppe, Martina und Els sind mit ihren Emotionen, ihren Ängsten und ihren verlorenen Hoffnungen sehr gut beschrieben. Das Chemiewerk wurde trotz guter Forschungsansätze geschlossen, eine Alternative scheint es nicht gegeben zu haben. Warum, wird nach dem Fund im Garten des Kindergartens deutlich. Doch ihre Freundschaft, ihr Zusammenhalt bleibt bestehen und ist unerschütterlich. Sehr gut nachvollziehbar ist auch das Suchen derjenigen, die ihre Heimat verlassen haben, um anderswo Arbeit und Erfolg zu suchen. Sie mussten erkennen, dass sie Fremdkörper sind und bleiben. Erikas Tochter Heike, die sich nun Kiki nennt, ist nach Berlin gezogen, warum, wird nach und nach deutlich. Aber auch in Berlin ist nicht alles so leicht für die junge Mutter. Als sie mit ihrer Tochter Paula ihre Eltern und deren Freunde besucht, ist die Begegnung mit ihrem Vertrauten Joppe so, als wären sie nie getrennt gewesen. Der Autorin gelingt es, dies wie auch vieles andere in wenigen Sätzen sehr deutlich zu machen.

Was mir nicht gefällt, sind zwei Punkte. Der eine betrifft die Gelegenheit, die Erika und ihre Freunde ergreifen. Sie nutzen die einzige Chance, die sie haben und das tun sie gut. Die Autorin beschreibt auch diese eher sparsam. Da hätte ich mir etwas mehr Auflösung gewünscht. Und der zweite betrifft Erika, die sich einige Freiheiten in den von ihr betreuten Häusern herausnimmt, denn ich denke nicht, dass die Eigentümer davon wissen. Das ist zwar amüsant, mir aber etwas zu viel „Narrenfreiheit“.

Fazit: ein empfehlenswerter, unterhaltsamer und nachdenkenswerter Roman