Rezension

Eine Reihe nützlicher Informationen für Ihre zukünftigen Entscheidungen und gute Unterhaltung

Die Pilotenkonferenz
von Harald Mayer

Bewertet mit 4 Sternen

Besteht die Möglichkeit, dass Sie nach der Lektüre auf manche Dinge ganz anders schauen können und zu grundliegend anderen Entscheidungen fähig sind.

Wie entscheiden wir? Mit dem Kopf oder mit dem Bauch? Welche Entscheidungen erweisen sich später als „die Richtigen“: Diejenigen, die man plakativ wie unkompliziert den Gesprächspartnern präsentieren und gut begründen kann oder diejenigen, die man kaum in Worte fassen mag? Oder ist es vielleicht eine Mischung aus Kopf- und Baucheinflüssen, die die besten Entscheidungen ermöglicht?

Tom, ein junger Mann, Absolvent bester Bildungseinrichtungen, nimmt an einem Kongress teil, einer Jahrestagung von VPHV (Verein der Piloten mit Herz und Verstand). Dort treten renommierte Persönlichkeiten aus Wissenschaft und Forschung auf und referieren zum Thema Entscheidungsfindung. Diese Veranstaltung ist halbwegs geheim, zumindest findet sie regelmäßig unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die Teilnehmer sind Vertreter diverser Berufsfelder, ein bunter Mix aus Wissenschaftlern, langgedienten wie frisch gebackenen Praktikern aus der Wirtschaft, jungen, noch werdenden Führungskräften, etc. So hat Tom einen Mentor Chris, der ihm zur besseren Orientierung zur Seite gestellt wurde. Chris hat eine erfolgreiche Karriere in der Wissenschaft und Wirtschaft hinter sich und verfolgt nun eigene, für den Leser zunächst mysteriös anmutende Projekte. Es gibt aber auch Annegret, die Frau, die ihre Entscheidungen lieber aus dem Bauch heraus trifft und dabei nicht unbedingt falsch liegt. Es gibt noch einige andere spannende Figuren, die in den Diskussionen zwischen den Vorträgen teilnehmen und für die Vielfalt der Meinungen, sowie auch zum Schluss für einige überraschende Wendungen sorgen.

Die Reihenfolge der Vorträge ist schon an sich spannend. Am Anfang steht die Klassik der Wirtschaftswissenschaften (Wiwi): ein emeritierter Professor referiert über Homo Oeconomicus, dem „strengen Prinizipienreiter“ und seinem äußerst rationalen Entscheidungsverhalten. Dieser wird als Basis genommen, um die Grenzen der klassischen Werkzeuge der Wiwi-Lehre aufzuzeigen und die Wichtigkeit wie Notwendigkeit der verhaltensorientierten Ökonomie dem Leser nahezulegen. „Wir sind nicht ausschließlich am monetären Nutzen orientiert, sondern berücksichtigen auch subjektive Motive und Bedürfnisse sowie unseren spezifischen Informationsstand. Da hier individuelle Faktoren eine Rolle spielen, sprechen wir hier von subjektiver Rationalität.“ Das Diktator-Spiel, das zwischen den Teilnehmern gespielt und anschließend erläutert wird,  ist dabei eine gute wie anschauliche Hilfe.

Keine Sorge: Im wissenschaftlich angehauchten Stil sind lediglich einige wenige Beiträge verfasst. Die Sprache dieses Werkes ist leicht und verständlich. Der Autor hat den Spruch von Albert Einstein beherzigt: „Wenn du es einem Sechsjährigen nicht erklären kannst, dann verstehst du es selbst nicht.“ und vermittelt spielerisch wie unterhaltsam die Kerninhalte der gängigen Wiwi Konzepte, insbesondere die der Verhaltenstheorie. Die Infovermittlung geschieht auch in zahlreichen Dialogen der Teilnehmer. Sie sind teils lebhafte Diskussionen zu den gerade gehörten Themen, teils Dinge, die die Handlung des Romans vorantreiben. Alles in allem ist es eine gute wie anspruchsvolle Unterhaltung.

Besonders gut hat mir gefallen, dass die oft unterschätzte Bedeutung der psychologischen Prozesse bei der Entscheidungsfindung hervorgehoben wurde. Aus dem Munde einer recht imposanten Erscheinung, Dr. Mara Mo, einer hochintelligenten, erfolgreichen Wissenschaftlerin, wie umwerfend attraktiver Frau kommen diese Inhalte besonders überzeugend.

Auch der Einfluss oft unbewusst wahrgenommener äußerer Ereignisse, die nicht viel mit der Sache zu tun haben, aber bei der Entscheidungsfindung ihre Rolle mitspielen, wird ans Licht gerückt, damit Tom und mit ihm auch die Leser, solcher Faktoren bewusst werden und damit entsprechen umgehen können. Die Richtung weg vom streng Rationalen bis zu der Frage, ob unsere Entscheidungen, ja unser Wille in der Tat frei wären, wird in diesem Roman anhand von vielen einleuchtenden Beispielen und der Handlung illustriert.

Erfreulich fand ich auch, dass solche Phänomene wie Priming und Framing, die alltäglich in den Medien, Wirtschaft und Politik erfolgreich genutzt, dem Publikum aber weitestgehend unbekannt, bei der Pilotenkonferenz behandelt und den Lesern gut erklärt werden. Das sind gute Werkzeuge, um die Hoheit über Freiheit der eigenen Entscheidungen bei sich zu behalten und nicht Opfer der geschickten Informationsdarbietung mancher Wirtschafts- wie Politikakteure zu werden. Ich habe mir hier, offen gestanden, etwas mehr Beispiele gewünscht. Der umfangreiche Anhang, der die weiterführende Literatur wie einige nicht im Haupttext aufgeführten Passagen beinhaltet, konnte mir da nicht wirklich weiterhelfen. Aber für diejenigen, die sich nach dieser Lektüre mehr über die angesprochenen Themen wissen wollen, ist der Anhang ein guter Wegweiser.

Der Roman kann sowohl für diejenigen interessant und nützlich sein, die die gängigen Wiwi-Theorien und Konzepte fürs Studium brauchen: Statt die Körnchen der Wahrheit mühsam aus den dicken BWL-Folianten und deren staubigen Sprache entlocken zu wollen, lieber gleich „Die Pilotenkonferenz“ lesen. So hat man einen guten wie effizienten Einstieg in die Materie, so wie einen guten Überblick der Problematik.

Aber auch die Leser, die sich schlicht Gedanken darüber machen, ob ebendiese Gedanken heutzutage immer noch frei sind und ob es auch dabei bleibt, wie es im alten Volkslied heißt („Die Gedanken sind frei, wer kann sie erraten…“), würden auf ihre Kosten kommen. Und auch einfach diejenigen, die nichts gegen eine intelligente Unterhaltung haben und nach einem Buch suchen, das sowohl zum Nachdenken anregt, als auch einige spannende wie vergnügliche Momente bietet, können gerne zu Pilotenkonferenz greifen. Das letzte Drittel ließ mich schon an einige Krimis oder auch ferner an Dystopien denken. Eine gelungene Liebesszene ist auch dabei.

Ich könnte noch weitere Punkte besprechen, möchte aber den Rahmen nicht endgültig sprengen und sage: Ich habe den Roman gerne gelesen und einige Dinge dazu gelernt, trotz dem, dass ich in der Hinsicht doch etwas vorbelastet bin.

Fazit: Sowohl die Idee, als auch die Ausführung fand ich ausgesprochen gut. Dafür vergebe ich besonders hell leuchtende vier Sterne und eine Leseempfehlung. Lesen Sie es. Dadurch gewinnen Sie nicht nur für Ihre zukünftigen Entscheidungen eine Reihe nützlicher Informationen: Es besteht auch die Möglichkeit, dass Sie danach auf manche Dinge im Leben ganz anders schauen können und zu grundliegend anderen Entscheidungen fähig sind. Und das ist einer der Vorzüge der guten Bildung, nicht wahr?