Rezension

Eine Reise ins Ungewisse

Unschärfen der Liebe -

Unschärfen der Liebe
von Angelika Overath

Bewertet mit 3 Sternen

Kaum etwas lädt mehr zu einer inneren Einkehr ein als eine lange Zugfahrt. Hier füllen die Reflexionen der Hauptfigur Baran, der von Chur nach Istanbul unterwegs ist, sogar einen ganzen Roman. Sie werden ausgelöst durch Beobachtungen in und außerhalb des Zuges, vorbeiziehende Landschaften, wechselnde Fahrgäste und seinen eigenen Erinnerungen.

Die besondere Erzählweise von Angelika Overath, in der Erlebtes, Beobachtetes und historische Exkurse miteinander verschwimmen, löste auch bei mir Gedankenspiele aus. Die Reisenden befinden sich während eines kurzen Lebensabschnitts in einer ähnlichen Situation; in ihren Köpfen laufen jedoch völlig verschiedene Filme ab. Bei Baran kreisen sie vor allem um Alva und ihrer Tochter Florinda, von denen er sich am Bahnsteig verabschiedet hat, und Cla, der ihn zu Hause in Istanbul erwartet. Es entfaltet sich eine komplexe Dreiecksbeziehung, in der Baran seinen Platz zu finden sucht. 

Diese Suche betrifft nicht nur seine Beziehungen, sondern auch die eigene Identität und kulturelle Zugehörigkeit. Der Satz „Seine Heimat war das Fremdsein” drückt sehr treffend die Gefühle des Protagonisten mit griechisch-türkischen Wurzeln aus. Dass er sich im Schwebezustand während der Zugfahrt gut aufgehoben fühlt, konnte ich nachvollziehen. Für mich blieb jedoch in diesem Roman zu vieles in der Schwebe, so dass es mir schwer fiel, eine persönliche Veränderung oder finale Entscheidung zu erkennen.