Rezension

Eine zarte Geschichte mit einer kleinen Prise Magie - wundervoll!

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen - Aimee Bender

Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen
von Aimee Bender

Bewertet mit 4 Sternen

Ein paar Tage vor ihrem neunten Geburstag probiert Rose Edelstein den Zitronenkuchen, den ihre Mutter für sie gebacken hat und kann zwischen den Zutaten, die eigentlich in so einem Kuchen enthalten sind, eindeutig einen Hauch von Traurigkeit rausschmecken. Das Gleiche beim Abendessen und ab diesem Tag bei jedem Gericht, das Rose isst. Seien es die Cookies aus dem Café oder das Roastbeef ihres Vaters: Durch jeden Bissen erfährt Rose eine ganze Menge, meist mehr als ihr lieb ist. Wird sie lernen mit ihrer besonderen Gabe umzugehen?

 

Dieser magische, verrückte Roman ist eindeutig etwas Eigenes und ich bin mir immer noch nicht genau sicher, was ich von ihm halten soll...

Was ich aber auf jeden Fall zuerst einmal sagen möchte, ist, dass ich die Idee einfach unbeschreiblich schön finde und man so etwas selten in einem Buch zu lesen bekommt.
Denn es steckt viel mehr dahinter, als man im ersten Moment vermutet.

Rose kann auf einmal, kurz bevor sie neun Jahre alt wird, Emotionen aus Gerichten herausschmecken, die die Person, die die Speise zubereitet hat, dabei fühlte.
Soweit, so gut. Man denkt natürlich, dass das eigentlich eine ganz praktische Gabe ist, aber man vergisst leicht, dass Rose noch ein Kind ist und mit diesen ganzen Eindrücken, die auf ihrer Zunge landen, noch gar nicht umgehen kann.
Damit fühlt sie sich schließlich so unwohl, dass sie einen Nervenzusammenbruch bekommt und ab da versucht nur noch maschinell gefertigtes Essen zu essen, da Maschinen ja keine Gefühle haben.
Außerdem reicht ihre Fähigkeit nicht nur bis in die Emotions-Welt von Menschen, sie kann aus den Gerichten die einzelnen Zutaten rausschmecken und weiß zum Beispiel nach einem Stück Kuchen von welchem Bauernhof die Eier kommen und ob es Hühner aus Käfig- oder Freilandhaltung waren. 

Da es in dieser Geschichte hauptsächlich um Rose und ihre Familie geht, gibt es in der Handlung natürlich nicht die ganz große Spannung, aber "Die besondere Traurigkeit von Zitronenkuchen" ist eines dieser Bücher, die ohne sie auskommt. 
Zum einen, weil der Schreibstil so unglaublich schön ist, mit vielen sprachlichen Bildern, beinahe schon poetisch.
Und zum anderen: Die Autorin fokussiert sich sehr auf die Charaktere.

Rose an sich mag man von der ersten Sekunde schon leiden. Zu Beginn als naive 9-Jährige, die mit ihrer ungewöhnlichen Begabung fertigwerden muss, in der Mitte als Teenager, der sich halbwegs an die Situation gewöhnt hat und am Ende als Erwachsene, die lernt ihre Vorteile zu ziehen.
Sie macht definitiv eine Charakterwandlung durch, aber es war einfach ganz simple Sympathie, wegen der ich mich für Rose begeistern konnte.

Und obwohl sie die Protagonistin ist, erfährt man erstaunlich viel über die Menschen in ihrem Umfeld, die mich mit einer großen Tiefe überraschen konnten.

Da sind einmal Roses Eltern, beide vollkommen unterschiedlich. Die Mutter: künstlerisch und freiheitsliebend und der Vater: ruhig und ordentlich.
Beide haben ihre Geheimnisse, ihre guten Seiten und ihre Macken, aber mehr kann ich auch nicht sagen, ohne zu viel vorwegzunehmen.

Eine große Rolle spielt außerdem George, der beste Freund ihres großen Bruders.
Nur ihm erzählt sie von ihrer Fähigkeit, er glaubt ihr sogar und führt versuchsweise einige "Experimente" durch, bei denen die beiden ins Café gehen, Rose errät, was in dem Gericht enthalten ist und sie danach die Angestellten fragen, ob Rose die richtigen Zutaten aufgezählt hat.
George ist allein deshalb, weil er ihr glaubt und für sie da ist, ihre Kindheitsliebe und ich lasse jetzt offen, wie sich die Geschichte der beiden entwickelt.

Roses Bruder Jospeh darf man auch nicht vergessen, denn in dem Moment, in dem er eigentlich erst richtig in der Handlung mitspielt, wird es verwirrend.
Jospeh als Person ist der wahre Naturwissenschaftler.
Verliebt in seine Bücher, in seine Fächer, still und stundenlang in seinem Zimmer mit irgendetwas beschäftigt.
Doch auch mit ihm scheint etwas nicht zu stimmen.
Öfters passiert es, dass er nach tagelangem Verschwinden plötzlich vollkommen dehydriert wieder auftaucht und aber keinem sagen will, wo er war.

Wie schon gesagt, an dieser Stelle wird das Buch dann merkwürdig und ich muss künftige Leser warnen, dass dieser Roman nichts für Realisten ist.
Die Herkunft von Roses Begabung und warum sie sich ausgerechnet kurz vor ihrem neunten Geburtstag zeigen lässt, wird nicht geklärt, es gibt ein paar Andeutungen mehr nicht.
Und Josephs Geheimnis ist noch viel seltsamer.

 

Fazit

Und gerade deswegen, weil diese Geschichte so seltsam und realistisch zu gleich ist (es geht immerhin immer noch ums Erwachsenwerden), ist sie etwas Besonderes.
Angefangen von einer neuen, zauberhaften Idee, über einen poetischen Stil bis hin zu einer sehr sympathischen Protagonistin und mehreren netten Nebencharakteren.
Die volle Punktzahl kann ich nicht verteilen, da selbst mir das Ende ein bisschen ZU merkwürdig war und ich erstmal eine halbe Stunde nachdenken musste, was jetzt eigentlich passiert war.
Also: 4 Sterne und es lohnt sich!