Rezension

Einfach nur schön...

Weit weg und ganz nah, 7 Audio-CDs - Jojo Moyes

Weit weg und ganz nah, 7 Audio-CDs
von Jojo Moyes

Wie bei fast allen Lesern, deren Meinung ich kenne, war „Ein ganzes halbes Jahr“ eines der besten Bücher, das ich je gelesen habe, „Eine Handvoll Worte“ konnte dagegen nur halb überzeugen. Ehrlich gesagt habe ich jetzt, ca. ein halbes Jahr, nachdem ich es gelesen habe, die Story fast schon wieder vergessen, so wenig hat sich mir das Buch eingeprägt. Dementsprechend skeptisch war ich „Weit weg und ganz nah“, das dritte Buch von Jojo Moyes, zu kaufen.

Am Ende habe ich mich für die Hörbuchversion, gelesen von Luise Helm, entschieden. Und ich war SO begeistert. Der Roman ist ganz anders als „Ein ganzes halbes Jahr“, besitzt allerdings auch ernste Untertöne neben dem ganzen Liebesgedöns.

Die junge alleinerziehende Mutter Jess schlägt sich mehr oder weniger gut mit zwei Jobs durch, um ihren Kindern wenigstens etwas zu Essen kaufen zu können. Ihr Mann hat sie verlassen und bezahlt ihr keinen einzigen Penny für die Kinder. Aber Jess ist Optimistin und sieht das Positive im Leben.

Gleichzeitig wird die Geschichte von Ed erzählt, einem stinkreichen Unternehmer, der allerdings wegen eines großen Fehlers des Insiderhandels beschuldigt und wahrscheinlich angeklagt wird.

Durch einen Zufall entdeckt Jess bei ihm 5.000 Pfund. Und nimmt sie an sich. Um ihre Familie zu retten.

Und um ihre Familie zu retten, will sie mit ihrer kleinen Tochter zu einer Matheolympiade fahren, damit diese eine Privatschule besuchen kann und in ihrem Mathetalent gefördert wird. Und durch Zufall landen Jess und die Kinder in Eds Auto und fahren mit ihm nach Schottland zu der Olympiade. 3 Tage und 3 Nächte und dann sogar noch ein bisschen länger und die beiden Geschichten verschmelzen miteinander.

Dieser Roman versprüht so viel Lebensfreude, so viel Optimismus, dass ich teilweise die halbe Nacht durchgehört habe, bis ich endlich an einer Stelle war, an der ich das Hörbuch ausmachen und schlafen konnte.

Es dreht sich nicht bloß alles um die Liebesgeschichte zwischen Jess und Ed, die sich sehr früh andeutet, sondern die Probleme, die beide haben, werden so überzeugend dargestellt, dass es keinen klaren Sympathieträger gibt. Obwohl beide so unterschiedlich sind und sich zunächst überhaupt nicht ausstehen können, findet man beide unglaublich sympathisch und versteht jeden ihrer Gedanken.

Dafür hat Jojo Moyes definitiv ein Talent: Sie nimmt Figuren, die einem selbst zum Großteil fremd sind, aber macht sie zum Teil es einzelnen Lesers, weil sie ein Identifikationspotential schafft, das seinesgleichen sucht.

Der Roman ist einfach großartig, nicht „Ein ganzes halbes Jahr“- großartig, hat zumindest keinen so tragischen Hintergrund oder kein so heikles Thema, aber er legt den Finger in die Wunde, lässt die beiden Hauptpersonen gesellschaftlich und politisch aktuelle Themen diskutieren. Nicht, indem sie wirklich in Dialogen darüber diskutieren, sondern indem Jojo Moyes sie aufeinandertreffen und sich kennenlernen lässt. Man weint und lacht mit ihnen, man drückt ihnen die Daumen und möchte sie in den Arm nehmen, wenn sich ihre Hoffnung nicht erfüllt.

Die Skepsis war also vollkommen unbegründet nach dem zweiten, etwas schwächeren Roman. Roman Nr. 4 wird sehnsüchtig erwartet!