Rezension

Empfehlung!

Um 1500 -

Um 1500
von Romedio Schmitz-Esser

Bewertet mit 5 Sternen

Kurzmeinung: hohe Kunst hob sich von einfachem Handwerk ab
Alles zu Person Dürer, in Dürers Zeit emanzipierte sich das Kunstwerk.
Das Buch 'Um 1500' von Romedio Schmitz-Esser schildert die Sichtweisen Dürers auf die politischen, soziologischen und ökologischen Verhältnisse um das Jahr 1500.

Das rund 500- seitenlange Buch nimmt alle wichtigen Details zu Dürers Leben und Schaffen auf.

Eine wichtige Erfindung war der Buchdruck. Bildung war nicht jedem zugänglich, wer eine höhere Bildung hatte, dem war der soziale Aufstieg möglich. Die Beschreibung des Familienwappens der Dürers hat mich sehr neugierig gemacht. Schön empfand ich auch, dass hier eine Zeichnung von Agnes Dürer zu sehen ist, um das Jahr 1494. Die Beschreibungen der Ränge und des Standes innerhalb der Ehen empfand ich als spannend. Auch, dass ein großer Altersunterschied innerhalb einer Ehe normal war. Auch das Kapitel 'Genderrollen' blickt von heutiger Zeit auf das Mittelalter zurück und macht die Unterschiede klar. Die gefalteten oder betenden Hände sind wohl eines der bekanntesten Werke. Spannend, dass Frömmigkeit und Humanismus nicht als gegensätzlich gesehen wurden. Man glaubte auch an Wunder. Das Bild des ertrunkenen Jungen gehört auch dazu. Es herrschte zudem Antisemitismus... und Furcht vor der Apokalypse... man glaubte an das baldige Ende der Welt, was durch Engelserscheinungen und Visionen untermauert wurde.

Albrecht D. genoss eine Ausbildung als Handwerker, als Goldschmied und Maler... als Handwerker sollte man auch reisefreudig sein. Dürer fertigte aber auch viele Holzschnitte an. Typisch waren die Auseinandersetzung von Handwerk und Kunst.

- ''hohe Kunst hob sich von einfachem Handwerk ab'' (Kunst)

- es galt das Prinzip der Harmonie, um der göttlichen Welt näher zu kommen. (Handwerk/Kunst)

''In Dürers Zeit emanzipierte sich also nicht nur der Künstler, sondern auch das Kunstwerk''.

Dürer hatte enge Freundschaften, die ihm nützlich waren. Er hatte auch Briefwechsel, dabei merkt man, dass er Humor gehabt haben soll. Wenn er auf (Auslands-) Reisen war, genoss er die Unterstützung von Freunden, Bekannten und Handwerksgenossen. Er wurde von ihnen freundlich empfangen. Venedig hatte eine besondere Anziehungskraft für ihn zu dieser Zeit und sicherlich Italien im gemeinen auch. Venedig war eine Metropole mit erstklassigem Rang... dort fand man Waren aus aller Welt, Elfenbein, Gold, Gewürze, Seide, Edelstein. Um 1500 war es eine Stadt, die in voller Blüte stand. Man unternahm als Mensch um 1500 gerne Pilgerschaften und hatte einen Kult um Reliquien. Man bewahrte Knochen von Heiligen auf, was eine Verbindung zu deren Seele und zu Gott bedeutete. Dürer erhielt auch zu dieser Zeit ein von Luther geschriebenes Buch. Auch in Nürnberg wurde im Zuge der Reformation eine neue Konfession um das Jahr 1525 eingeführt. Dürer setzte sich (anhand von Holzschnitten und Gemälden) mit den Päpsten des Mittelalters auseinander, indem er sich fragte, ob sie wahre Verteidiger des Glaubens seien oder ob sie die reine urchristliche Lehre verdorben hatten.

Politik spielte auch schon damals im Leben der Menschen eine große Rolle... es war die Zeit der Habsburger, die an großer Bedeutung gewannen. Ihr Reich streckte sich bis nach Italien/Tirol, teils Schweiz, Österreich und Frankreich aus, in Osteuropa verloren sie jedoch an Einfluss. Dürer machte zu dieser Zeit auch Reisen in die Niederlande. Dürer fertigte auch zu dieser Zeit Zeichnungen und Holzschnitte von Herrschern an, beispielsweise von Maximilian I. . Da sich der französische und italienische Humanismus zunehmend unterschied, gab es mehr kulturellen Wettstreit aber auch kriegerische Konflikte, die Europa um diese Zeit erlebte.

Auch die Bauweisen der Burgen änderten sich, diese waren als Befestigung ein Sinnbild für den Adel, zunehmend wandelten deren Behausungen sich aber in prächtige Schlösser mit zusätzlichen Ansitzen. Zeitgleich verlor der Adel aber auch an Bedeutung in militärischer Hinsicht und das Rittertum wurde beliebter. Es gab zwei Klassenunterschiede, einfache Diebe wurden erhängt und Adelige geköpft, wenn sie eine schwere Straftat begangen haben.

Besonders vorzuheben ist der Kupferstich, der Hieronymus darstellt, auffällig ist dabei der Lichteinfall. Dürer hat hier Butzenscheiben dargestellt, die zu seiner Zeit sehr üblich in Italien waren, aber nicht in seiner Heimat... das war der Erfolgszug der Fenster, denn bisher hatte man nur offene Fenster, die im Winter verschlossen wurden. Hunger war zu dieser Zeit sehr präsent, immer mehr Menschen zogen in die Städte, die Lebensmittelversorgung stellte sich als schwierig heraus. Für die gehobenen Leute gab es Trinkgefäße aus Glas, die einfachen Menschen nutzen Holz- Keramik- Becher. Zucker war damals enorm teuer. Es herrschte viel Armut, diese war in Dürers Werken allumfassend. Es gab viele Bettler. Es hing davon ab, aus welchem Stand man kam, um das Leben in vollen Zügen genießen zu können. Man schätze es, reinlich zu sein. Es kam gerade erst auf, dass man in den Häusern fließendes Wasser hatte- die Entsorgung von Müll war beispielsweise ein großes Problem. Musik war ein wichtiger Bestandteil für Menschen wie Dürer, tugendhafte Menschen spielten ein Musikinstrument. Bei dem Adel war es anders, dies spielte eine wenig wichtigere Rolle. Tanz war für Menschen gleichen Standes wie Dürer ein soziales Ereignis und wurde weniger zum Spaß betrieben.

Dürer arbeitete auch für die Fugger, eine einflussreiche Familie aus Augsburg - diese waren sehr für ihren Reichtum bekannt. Es bildeten sich europaweite Bank- und Handelsgeschäfte, davon profitierte auch die Mittelschicht. Es hab Schuldenbriefe. Es gab Courantgeld, es waren Münzen die aufgrund des Materials genau den gleichen Wert hatten.

Dürer war außerdem bekannt dafür, dass er sich modisch in Szene setzte, er liebte Pelze und einen individuellen Kleidungsstil, aber auch einige Luxusartikel wie Edelsteine. Dürer sammelte Gegenstände aus aller Welt, er war sehr interessiert.

Es war der Aufstieg des osmanischen Reichs, es gelang den Osmanen sogar Ägypten einzunehmen. Auch Dürers Kunst wird davon inspiriert, er stellt ein Paar mit Turbanen orientalischer Herkunft dar. Auch Indien rückt in den Fokus. Hernán Cortéz erobert um 1519 Tenochtitlan und nimmt Moctezuma in Gefangenschaft, dabei wird der Schatz der Azteken erobert. Sklaverei war weit verbreitet, besonders gab es eine große Anzahl an Sklaven aus Afrika. Im Mittelmeerraum war es sowohl auch üblich Christen als Sklaven zu halten.

Dürer fertigte Zeichnungen von Tieren an, beispielsweisen von Hasen oder von einem Rhinozeros. Er nahm aber auch die Natur und die Umwelt in den Fokus, beispielsweise indem er ein Rasenstück detailgenau nachskizzierte. Ganz besonders interessant waren für Dürer die Darstellung der verschiedenen Gemütszustände. Für ihn war der Melancholiker von großer Bedeutung, da dieser Charakter am meisten dem Künstler ähnelt. Das heute gängige Stereotyp des Mittelalters in Sachen Hygiene entspricht nicht der Wirklichkeit, die Menschen legten damals großen Wert auf Sauberkeit, wenngleich sich dies als schwieriges Unterfangen rausstellte.

Man spürte die Auswirkungen der Jahreszeiten sehr deutlich. Die kurzen Tage hatten Auswirkungen auf den Lebensrhythmus und auf die Arbeitszeit. Die Uhrzeit war nicht überall einheitlich, vielmehr richtete sie sich nach dem Stand der Sonne, der um 12 Uhr Mittag eintrat. Es gab mechanische Uhren, diese waren aber sehr begrenzt verfügbar.

Man wollte an keinem plötzlichen Tod sterben, sondern langsam hinübergehen. Der Anblick eines Heiligenbildes am Todestag sollte einen davor schützen. Dürer selbst verstarb an einer Erkrankung.

Auch der Anhang ist reichlich bestückt mir Begriffen und Beschreibungen. Hier sind Zitate in mittelalterlicher Sprache zu finden. Es gibt sowohl einen Personenindex, sowie einen Ortsindex.

Ein umfassendes Buch über die Zeit um 1500. Empfehlung.